Das 25 jährige Jubiläum des Vereins
Im Jahre 1891 feierte der Verein sein 25 jähriges Jubiläum. Am frühen Morgen erschien eine Deputation in der Wohnung Ehepaares Morgenstern, um eine Ehrung darzubringen.
Die öffentliche Feier begann am 6. Juni, vormittags 11 Uhr, in dem von den städtischen Behörden zur Verfügung gestellten Bürgersaale des Rathauses der mit Kränzen, Fahnen und hohen Blattpflanzen geschmückt war, aus welchen letzteren die Büsten der verewigten Kaiserin Augusta und des regierenden Kaiserpaares hervorragten.
Der Gesang »Die Himmel rühmen usw.« von Beethoven, ausgeführt vom Henneberg'schen Gesangverein, leitete die Feier ein. Hierauf bestieg der zeitige Vorsitzende des Vereins. Herr Justizrat Dr. jur. Leonard Jacobi †, die Rednerbühne, um die Begrüßungsansprache zu halten. Er ging auf die Geschichte des Vereins zurück, der allerdings seine Entstehung einer Zeit schwerer Heimsuchung wo Krieg und Seuchen ihre Geißel schwangen, verdankt, dessen Wirksamkeit aber von Anfang an von seiner Begründerin für die Dauer berechnet war, dessen große Bedeutung für das soziale Leben bald von allen Einsichtigen anerkannt ward, und der nicht bloß für Berlin von großem Segen geworden ist, sondern in vielen Städten Deutschlands und weit über dessen Grenzen hinaus ein Vorbild für zahlreiche gleiche und ähnliche Schöpfungen geworden ist. Der Redner gedachte alsdann mit tiefer Dankbarkeit und Verehrung der heimgegangenen Kaiserin Augusta, welche dem Verein stets eine großherzige Beschützerin und Gönnerin gewesen ist: nicht Leid, nicht Krankheit hatte sie abgehalten, den Volksküchen durch persönlichen Besuch ihre Teilnahme zu beweisen, und bis über den Tod hinaus hat sie bezeugt, welche hohe Wichtigkeit sie gerade diesem gemeinnützigen Unternehmen beimaß, dessen Protektorat sie im Jahre 1868 aus eigener Initiative übernommen hatte.
Von Kaiserin Auguste Victoria, der Protektorin des Vereins, war inzwischen ein Telegramm eingegangen, welches der Versammlung vorgelesen wurde. Dann folgte die Festrede des Herrn Prediger Richter aus Mariendorf.
In warmen, einfachen, tief zu Herzen gehenden Worten schilderte der Redner die Bedeutung der Berliner Volksküchen und leitete seine Berechtigung zu diesem Akte in liebenswürdiger Weise daher, dass das Kind, das einzusegnen er heute berufen, vor 25 Jahren sozusagen im Pfarrhause zu Mariendorf das Licht erblickt habe. In einem Gespräch mit seiner Gattin über die herrschende und noch zu erwartende Not der Zeit und die Aufgaben der Frauen ihr gegenüber, sei Frau Lina Morgenstern zuerst der Gedanke an Begründung von Volksküchen gekommen, den sie mit Tatkraft und Ausdauer dann sofort ins Leben überführt habe. Daran anknüpfend schilderte der Redner, wie dieses Werk, trotz der wahrlich nicht zu unterschätzenden Mithilfe der Männer so recht ein Frauenwerk sei und legte den Leitern und Mitarbeitern ans Herz sich nicht aus den in Weisheit selbst gezogenen Schranken drängen zu lassen, sondern fort und fort unentwegt und unberührt vom Hader der Parteien ein Verein zu bleiben, der einzig und allein humane Zwecke verfolgt.
Nunmehr überbrachte zunächst Herr Stadtrat Schreiner in Vertretung des Herrn Oberbürgermeisters von Forkenbeck als Abgesandter des Magistrats, in Begleitung der Herren Stadtrat Weber und Stadtverordneten Lucae, letzterer als Vertreter der Stadtverordneten-Kollegiums, dem Verein und dessen Begründerin den Gruß und Glückwunsch und den wärmsten Dank der städtischen Behörden. Zugleich sprach der Redner im Namen des Berliner Armenspeisungsdirektoriums, dessen Mitglied er ist, dem lieben Schwesterverein den wärmsten Glückwunsch aus.
Der Verein gegen Verfälschung der Lebensmittel und zur Hebung der Hauswirtschaft in Chemnitz hatte seinen Vorsitzenden, Herrn Oberlehrer Friedrich, entsandt, welcher Frau Morgenstern ein Diplom und ihre Ernennung zum Ehrenmitglied überbrachte. Ferner hielt eine Ansprache Herr Schulinspektor Reinecke für den Berliner Fröbelverein, der Frau Morgenstern ganz besonderen Dank schuldet, da sie die Mitbegründerin des Frauenverein für Fröbelsche Kindergärten war, der jetzt in den Fröbelvereinen aufgegangen ist.
Für den Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein, sowie für den Verein Deutscher Lehrerinnen und Erzieherinnen in England sprachen Fräulein Helene Lange und Fräulein Adelmann; für den Verein Frauenwohl in Berlin, unter Überreichung eines Blumenkorbes, Dr. Lange, für die Magdeburger Volksküche Frau Pilet.
Es waren ferner vertreten:
- Das Augusta-Hospital durch Geheimrat Spinola.
- Die Volkskaffeehallen durch die Herren Minlos, Rechtsanwalt Liebman und Dr. Paul Arons.
- Der Lette-Verein in Berlin, der auch Blumen und eine Adresse gesandt hatte, durch Frau Schepeler-Lette.
- Der Vaterländische Frauenverein in Lübeck durch Frau Konsul Luise Behncke,
- der Vaterländische Frauenverein in Landsberg a.W. durch Frau Toni Meyn,
- der Vaterländische Frauenverein in Cöslin durch Frau Ascher.
- Die Brauschweiger Volksküche durch deren Rendanten Herrn Krüger von Frau Tütscher;
- das kaiserliche Gesundheitsamt durch Herrn Regierungsrat Dr. Ohlmüller;
- der Verein zur Speisung armer Kinder in Berlin durch die Frauen Witte, Mosler und Dalfis;
- der Verein für arme Wöchnerinnen daselbst durch Frau Beseler;
- Heimat für junge Mädchen durch Frau Gräfin Blumenthal und Frau Piper;
- der Zentralverein für Arbeitsnachweis in Berlin durch Magistrats-Assessor Dr. Freund;
- der Verein zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger. speziell für die Sanitätswachen durch Herrn Jacob;
- die jüdische Altersversorgungsanstalt in Berlin durch Herrn Louis Sachs.
- Der Berliner Hausfrauenverein durch Frau Dora Hauer und Frau Rosenberger.
Adressen und Glückwunschtelegramme waren eingegangen
- vom ersten Wiener Volksküchenverein,
- vom Frauenverein für Belehrung und Unterhaltung in Berlin,
- vom allgemein deutschen Frauenverein in Leipzig,
- vom Frauenverein in Elbing,
- vom Kindergartenverein in Breslau,
- vom ehemaligen Volksküchenverein in Breslau,
- vom Frauenbildungsverein in Breslau,
- vom Schweizerischen gemeinnützigen Frauenverein
- und von vielen anderen.
Eine Depesche I.K.H. der Frau Großherzogin von Baden sei im Wortlaut mitgeteilt:
»Mit aufrichtiger Teilnahme folge ich der heutigen Jubelfeier Ihres
segensreichen
Vereines und sende herzliche Wünsche für sein ferneres
gutes Gedeihen in Dankbarkeit Ihrer unermüdlichen Tätigkeit eingedenk.«
Großherzogin von Baden.
Das erste Telegramm, das am Morgen eingetroffen, war aus Finnland, vom Vorstand der dortigen Arbeiterküche.
Nach den Ansprachen der fremden Abgesandten, kamen die eines Komitees, das sich gebildet hatte, um Frau Lina Morgenstern als Zeichen der aufrichtigsten Verehrung und Dankbarkeit an diesem, ihrem Jubel- und Festtage seitens ihrer Freunde eine Ehrengabe zu widmen, welche ihr nun durch eine Deputation mit einer Adresse die Frau Korwarzik verlas, überreicht wurde.
Die Adresse lautet:
Berlin, den 6. Juni 1891.
Hochverehrte Frau!
Heut bei der Wiederkehr des Tages, an dem Sie vor
25 Jahren den Grundstein zu
den Berliner Volksküchen legten, findet sich auch ein Teil Ihrer Freunde
bei Ihnen ein, um Ihnen seine Dankbarkeit und Verehrung
auszudrücken für
die große Liebestat, die ihr Herz ersann und Ihre unermüdliche Schaffenskraft
zur Ausführung brachte!
Der reiche Segen, der auf Ihrem Werke ruht, ist Ihnen, edle Frau, der schönste Lohn, und das Bewusstsein, so Viele Tränen getrocknet, soviel Not gelindert und soviel Hunger gestillt zu haben, muss Ihnen die höchste Befriedigung gewähren!
Uns aber, die wir Ihnen freundschaftlich nahe stehen, die wir Ihr uneigennütziges Streben anerkennen und bewundern, — uns drängte es, an Ihrem Jubiläumstag Ihnen ein äußeres Zeichen unserer Verehrung darzubringen, welches wir mit dem innigen Wunsche und der herzlichen Bitte in Ihre Hände legen, dasselbe nur zu Ihrem eigenen Wohl annehmen und verwenden zu wollen!
Möge Ihre Geistesfrische und Körperkraft der Menschheit noch lange erhalten bleiben und sich Ihr Lebensabend Ihr edles Tun würdig gestalten! Uns aber, hochverehrte Frau, lassen Sie hoffen dass wir einen kleinen Teil dazu beitrugen, indem wir Ihnen an Ihrem Festtage eine Freude bereiteten!
Mit größter Hochachtung
- Margarethe Begas-Philipp,
- Emma Kowarzik,
- Lina Bamberger,
- Johanna Wollmann,
- Friederike Louis.
- Babette Blaschko,
- Marie Bayer,
- Therese Blumenfeld,
- Dr. Elvira Castner,
- Jenny Cohnstaedt,
- Elise Falk,
- Bertha Fraenkel,
- Kathi Friedländer,
- Klara Gonszewsky,
- Maria Guhitz,
- Louise Havemann,
- Malvine Henning,
- Bertha Holzapfel,
- Lucy Jacobi,
- Agathe Jürgens,
- Rosa Kaliski,
- Lina Kersten,
- Hedwig Kohte,
- Emilie Kreter,
- Albertine Leuffgen,
- Johanna Levy,
- Elise Meyer,
- Ida Oberwarth,
- Erna Packscher,
- Sophie Pfennig,
- Marianne Rosenherger,
- Amelie Rothschild,
- Bertha Sachs,
- Emma Schäfer,
- Emilie Seldis,
- Lydia Schlesinger,
- Ida Schnitzer,
- Julie Thiede,
- Renate Wolff.
- Syndikus Beisert,
- Bernhardt, Stastverordneter,
- Dr. Bitthorn, Prediger.
- Dr. Blaschko, Sanitätsrat
- Borchardt, Stadtrat,
- Herm. Borchert, Bezirksvorsteher.
- Bauinspektor Buff,
- Syndikus Eberty, Stadtrat.
- E. Francke, Kommerzienrat.
- Jürst, Stadtverordneter.
- Rechtsanwalt Dr. Jacobi.
- Heilmann, Stadtverordneter.
- Redakteur Kalisch, Stadtverordneter.
- Apotheker Kowarzik.
- Bildhauer Löwe, Stadtverordneter.
- H.A. Morche, Stadtverordneter.
- G.F. Laschky, Bezirksvorsteher.
- Rentier Marggraff, Stadtrat.
- Rentier de Nève, Stadtrat.
- P. Pitzmann, Stadtverordneter.
- A. Pinkussohn, Stadtverordneter.
- Louis Sachs, Stadtverordneter.
- Rentier Roestel, Stadtrat a.D.
- Rentier Schaeffer.
- Dr. Strassmann, Stadtrat.
- Dr. Stryk, Stadtverordnetenvorsteher.
- Professor Dr. Virchow,
- Geheimer Medizinalrat. Dr. Max Weigert, Stadtrat.
Der Vorstand der Berliner Volksküchen schloss sich mit einer Adresse an das Ehepaar Theodor und Lina Morgenstern gerichtet, an, welche Frau Marie Gubitz verlas. Sie lautete:
Hochzuverehrendes Paar!
Freudig begrüßen wir den heutigen Tag. Ihren Ehrentag. an welchem Sie vor 25 Jahren die Anregung zur Errichtung von Volksküchen gaben, im Verein mit edeldenkenden Männern und Frauen die Idee der täglichen Verabreichung einer billigen und schmackhaften Mittagsmahlzeit an die arbeitenden Volksklassen ins Werk setzten.
Seit jener Zeit haben Sie unausgesetzt Ihre körperlichen und geistigen Kräfte in Taten, Reden und Schritten diesen Anstalten gewidmet, Mit Befriedigung können Sie zurückblickend darauf hinweisen, wie aus den kleinen Anfängen die Zahl der Küchen sich vermehrte, die Zahl der Besucher von Hunderten im Jahr zu Millionen herangewachsen ist.
Wir, die wir seit Jahren, und Einzelne von uns seit dem Entstehen der Küchen mit Ihnen zusammen gewirkt haben, wissen es zu würdigen, wie Sie Beide mit allzeit treuer Hingebung, Opferfreudigkeit und Selbstlosigkeit, mit einer seltenen Uneigennützigkeit diese wahrhaft humanen Zwecke gefördert haben. Wir, Ihre Kollegen, fühlen uns heute aus innigstem Herzensdrange verpflichtet, Ihnen Dank und Anerkennung für Ihre Leistungen auszusprechen. Möge, es Ihnen beiden noch eine lange Reihe von Jahren vergönnt sein wie bisher so tatkräftig an der Spitze der Leitung unserer Anstalten zu bleiben und sich mit uns an dem, auf Selbsterhaltung fest begründeten, dem Volke zur Wohltat gereichenden Werke zu erfreuen.
In herzlicher Verehrung und hochachtungsvoller Ergebenheit.
Der Vorstand und die Vorsteherinnen des Vereins der Berliner Volksküchen von 1866.
Berlin, den 6. Juni 1891.
- Dr. L. Jacobi, Vorsitzender.
- H. Blaschko, Schriftführer.
- Hermann Jürgens, Schatzmeister.
- G. Buff, technischer Leiter.
- Maria Gubitz, stellv. Vorsitzende.
- Bertha Sachs, stellv. Schriftführerin.
- Ida Oberwarth, Vorsteherin der 1. Volksküche,
- Elise Falk (2. Volksküche),
- Therese Blumenfeld (3. Volksküche),
- Emilie Seldis (4. Volksküche),
- Luise Havemann (5. Volksküche),
- Jenny Cohnstaedt (6. Volksküche),
- Emma Schäfer (7. Volksküche),
- Marie Bayer (9. Volksküche),
- M. Henning (10. Volksküche),
- Emma Kowarzik (11. Volksküche),
- H. Kohte (12. Volksküche),
- Agathe Jürgens (13. Volksküche),
- Emma Gonszewsky (14. Volksküche),
- Julie Thiede (15. Volksküche)
- Bertha Holzapfel (Frauenküche).
In tiefer Bewegung sprach Frau Morgenstern den Dank für alle ihr und ihrem Gatten gewordene Anerkennung und Liebe aus und gedachte liebevoll all der Mitbegründer und Mitarbeiter, die sich hohe Verdienste um den Verein erworben haben und von denen schon so viele aus dem Leben geschieden seien. Sie dankte auch besonders Frau Maria Gubitz, Frau Dr. Lina Jonas und Frau Dr. Valeska Rosenstein, die seit 25 Jahren ihre Tätigkeit den Volksküchen gewidmet hatten. Sie überreichte diesen drei Mithelferinnen Adressen, Frau Gubitz eine wertvolle Brosche mit der Jahreszahl 25 in Brillanten, den anderen beiden Damen vergoldete Mitgliedermedaillen, den damals tätigen Vorsteherinnen, Stellvertreterinnen und Ehrendamen versilberte Medaillen, wobei besonders der damals 86 jährigen Frau Falk gedacht wurde, die seit 19 Jahren täglich als Ehren-und Aufsichtsdame den freiwilligen Dienst am Buffet verrichtete. Auch an der Feier des Jubiläums nahm sie damals nicht teil, um nicht in der Volksküche zu fehlen. Diese seltene Frau übte ihre Tätigkeit in den Volksküchen bis zu ihrem Tode 1897 im 93 Lebensjahre.
Mit dem Gesang »Ehre sei Gott in der Höhe!« schloss die erhebende Feier. Sämtlichen Teilnehmern wurde, ehe sich die Versammlung autlöste, die von Frau Lina Morgenstern im Auftrage des Vorstandes verfasste Festschrift überreicht, zu der Sanitätsrat Dr. Blaschko einen Anhang geschrieben hatte.
Der ernsten Feier folgte nachmittags 18 Uhr ein fröhliches Festmahl im Restaurationssaal des Zoologischen Gartens, zu welchem sich über 400 Teilnehmer zusammengefunden hatten. Den Reigen der Reden eröffnete der Vorsitzende, Herr Justizrat Dr. Jacobi, mit einer weihevollen Gedächtnisrede auf die Verewigte Protektorin, die Kaiserin Augusta, und einem Lebehoch auf den Kaiser und seine erlauchte Gemahlin, die gegenwärtige Protektorin. Fräulein Olga Morgenstern sprach ein von ihr verfasstes Gedicht, Herr Geheimrat Professor Dr. Virchow erging sich in längerer Rede über die wichtigen und edlen Zwecke und Ziele des Vereins und hatte besonders Worte der Anerkennung für das Frauenwirken, welches hier innerhalb der eigentlichen Sphäre der Frau doch von so hervorragender Bedeutung für das öffentliche Leben geworden sei; er wünschte, dass das schöne Werk sein zweites Vierteljahrhundert in gleicher Kraft und Rüstigkeit vollenden möge. Er trat gleichsam als Zeuge auf, dass das Werk durch Frau Morgenstern begründet sei, welcher er für ihren ersten Aufruf zur Begründung der Volksküchen mit Twesten die ersten Unterschriften gegeben habe. Trinksprüche, Gedichte und Gesänge folgten und die in reicher Zahl eingegangenen Telegramme, Anschreiben und Adressen wurden verlesen.
Nach dem Festmahl wurde ein von Frau Lina Morgenstern verfasstes Lustspiel »Die Berliner Volksküchen« aufgeführt, unter der Regie und Mitwirkung von Fräulein Olga Morgenstern und flott spielender Damen und Herren aus der Gesellschaft. Das Lustspiel gab charakteristische Typen der Besucher und Angestellten der Volksküchen, war reich an Handlung und flott gespielten, pikanten Szenen und Couplets.
Am Tage darauf statteten alle auswärtigen Delegierten und andere Ehrengäste den Volksküchen einen Besuch ab. Die Eingänge sämtlicher Volksküchen waren mit grünen Girlanden und einer auf das Jubiläum bezüglichen Inschrift geschmückt. In allen Küchen herrschte Feststimmung. Jeder Gast bekam für den üblichen Preis doppelte Portionen und ein Glas Bier gratis. Der Dank für diese Wohltat kam denn auch in mannigfacher Weise den Damen gegenüber zum Ausdruck. Einer der ältesten Besucher der 13. Küche, ein biederer Mann aus dem Volke, erhob sich und brachte der "Mutter der Volksküchen" ein dreifaches Hoch, in das alle Anwesenden freudig einstimmten, aus.
Am Montag, den 8. Juni fand bei fast herbstlich kühlem Wetter der 3. Teil des Jubiläumsprogramms statt. Es galt, den Angestellten der Volksküchen ein Fest zu bereiten.
Im Schützenhaus zu Schmargendorf standen schon um 15 Uhr die mit Blumen geschmückten Tafeln in der weiten Halle des Gartens bereit, die drei- bis vierhundert Gäste zu empfangen, und sie kamen in Wagen und Kremsern, hundertundzwanzig Angestellte. Jede Küche hatte ihre eigenen Tafeln, an deren Spitze die Vorsteherin und die Ehrendamen Platz nahmen, dann folgten die Wirtschafterin, Markenverkäuferin, Köchin und Hilfsfrauen. So waren der Reihe nach für 15 Küchen und die Frauenküche Tafeln aufgestellt.
In freudiger Stimmung verzehrten die sonst so fleißigen Angestellten Berge von Kuchen und schlürften dazu den Kaffee mit Behagen. Die älteste Markenverkäuferin, Frau Hase, nahm das Wort und dankte in schlichten Worten dem Vorstande im Namen Aller für das Fest; auch die älteste Wirtschafterin, Frau Eck, wollte ihren Gefühlen Ausdruck geben, doch das Wort blieb in einem Strom von Tränen stecken. Darauf hielt Frau Lina Morgenstern eine Ansprache an ihre »Armee«, in der sie betonte, dass die Pflichttreue der Angestellten und ihre Liebe für das Institut es mit ermöglicht haben, die Volksküchen auf diese Höhe und zu solchem Ansehen zu bringen, und sie appellierte weiter an ihre Treue und ihren Fleiß, damit der Verein in Zukunft weiter gedeihe. Sie schloss mit einem Hoch auf das gesamte Personal. Hierauf verteilte sich die Gesellschaft, zu der sich immer mehr Gäste einfanden, um im nahen Walde Spiele auszuführen, bei denen die Vorstands- und Ehrendamen wetteiferten, immer neue Belustigungen zu ersinnen. Es wurde gesungen, deklamiert und gespielt. Dann ertönte das Signal zum Abendessen, und man begab sich wieder in die Halle, die ein großes Zelt gegen die Kälte schützte, wo ein warmes Abendbrot die Gäste an hübsch dekorierten Tafeln empfing. Zum Abschied bekam jede Angestellte ein Geldgeschenk. Dass allgemeine Heiterkeit und herzliche Dankbark herrschte, bewiesen die endlosen Hochs bis der Vorstand zum Aufbruch mahnte.
So schloss das Jubiläum der Berliner Volksküchen, welches sämtliche Beteiligten befriedigte.