Die Unterstützungskasse und wohltätige Zuwendungen
Da der Verein der Volksküchen keine Jahresbeiträge nimmt und seinen Satzungen nach nichts verschenken darf, Notleidende und Hungernde sich jedoch täglich in großer Anzahl bei den Vorstandsdamen und Vorsteherinnen melden, so haben diese eine Unterstützungskasse für Notleidende durch Anweisungen auf Speisen der Volksküchen begründet. Dieselbe wird nicht vom Verein, sondern von einem gesonderten Komitee verwaltet, Bei Meldungen der Bedürftigen, die an die Vorsitzende sich wenden, verteilt diese die Bittschriften je nach den Bezirken an die Vorsteherinnen und Ehrendamen, welche die Familien in ihren Wohnstätten aufsuchen und nach geschehener Prüfung der Verhältnisse die Anweisungen austeilen, doch werden dringende Notfälle auch ohne Untersuchung sofort berücksichtigt. Frau Oberwarth als Kassenverwalterin hat die Einnahmen und rechnet mit dem Büro der Volksküchen ab. Seit Begründung der Unterstützungskasse ist Frau Lina Morgenstern deren Vorsteherin.
Die Unterstützungen bestanden bis zum Tode der hochseligen Protektorin, Kaiserin Augusta fast ausschließlich aus deren Zuwendungen, welche noch im letzten Jahre ihres Lebens fast 1.000 Mark betrugen.
I.M. Kaiserin Auguste Victoria, unter deren Protektorat der Verein jetzt steht, wendet der Unterstützungskasse einen jährlichen Beitrag von 100 Mk zu.
Obgleich nun der Volksküchenverein kein Almosen verteilt, ist aus der Statistik zu ersehen, dass durch die Unterstützungskasse vielen tausenden notleidenden Familien und alleinstehenden Personen während der harten Wintermonate beigestanden wird, und zahlreiche Dankesbriefe, welche die Vorsitzende empfing, bezeugen, welche wesentliche Hilfe ein ausreichendes nahrhaftes Mittagsessen gewesen ist, wie es oft in Krankheitsfällen besser als Arznei wirkt und den erschöpften und mutlosen Müttern, die den Hunger ihrer Kinder nicht zu stillen vermochten, neue Kraft gab, für sie zu sorgen und zu schaffen. Vom Jahr 1885 bis 1891 wurden über 100.000 Portionen gratis an Arme verteilt.
Die Beschenkten liefern ihre Anweisungen in der betreffenden Küche ab, und nachdem die verschriebene Portionenzahl abgegessen, werden die abgelaufenen Zettel zur Kontrolle ins Zentralbüro und von dort an die Kassenverwalterin, Frau Oberwarth, abgeliefert. Es wird eine Liste über die beschenkten Familien geführt, alphabetisch geordnet, um einen Überblick zu behalten, dass nicht eine Familie von mehreren Seiten unterstützt wird.
Die nachstehend verzeichneten hochherzigen Zuwendungen von 1866 – 1891 wurden in früheren Jahren nur für die Krankenkasse des Personals, zum Pensionsfond der Angestellten und für Unterstützungen Hilfsbedürftiger genommen:
- I.M. die Kaiserin Augusta 26.700 Mark (inclusive des Legates von 10.000 Mark),
- Kaiserin Auguste Victoria 700 Mark
- Großherzogin von Baden 330 Mark,
- Herr Landgerichtsrat Rosenberg 20.338 Mark (Legat),
- Herr Julius Bentheim 1.500 Mark (Legat),
- Herr Max Krause 2.330 Mark,
- Herr Kommerzienrat Lachmann 1.000 Mark,
- Herr Kommerzienrat Pinkuss 1.000 Mark,
- Herr Kommerzienrat Felsing 1.100 Mark;
- Frau Friederike Meyer 500 Mark,
- Herr Rittergutsbesitzer Verdries-Fredersdorf 500 Mark,
- Herr Julius Schüler 300 Mark;
- Herr Dr. Frau Liebermann 500 Mark,
- Herr Baumeister Lauenberg (freie Lokalmiete) 1.440 Mark,
- Fräul. Simion 112 Mark,
- Frau Dr. Sachs geb. Guttentag 250 Mark,
- Anonym F. Sch. 600 Mark,
- Anonym H. M. 1.100 Mark,
- Herr Max Jaffé 125 Mark,
- Herr Hofrat Schneider 277 Mark (Legat),
- Herr Direktor Blumenthal 119 Mark,
- Herr Geheimrat Krause 40 Mark,
- Frau Rent. Falk 45 Mark,
- Frau Prof. Falk 80 Mark,
- Frau Seler geb. Sachs 50 Mark,
- Herr Franz Stoltz 100 Mark,
- Herr Graf Fürstenstein 50 Mark,
- Herr Graf von Hacke 20 Mark,
- Anonym aus Leipzig 30 Mark,
- Frau Cohnstaedt 20 Mark,
- Herr Dr. Kühn-Wien 5 Mark,
- Herr Hachez 24 Mark,
- Herr Hptm. von Jastrzemski 6 Mark,
- Frau von Schäfer-Voit 20 Mark,
- Frau Jacoby 30 Mark,
- Frau Manheimer 10 Mark,
- Herr Julius Guttentag 20 Mark,
- Herr Professor Magnus 10 Mark,
- Herr Berth. Holländer 10 Mark,
- Frau Julie Saloschin 20 Mark,
- Frau Emilie Guttentag 20 Mark,
- Frau Cohen 10 Mark,
- Exc. von Cramm-Burgsdorff 40 Mark,
- Red. »Post« 20 Mark,
- Herr Minister Otto Camphausen 200 Mark,
- aus dem Ephraimschen Nachlass 300 Mark,
- Herr Kammerherr Graf Behr 10 Mark
Aber auch andere Vereine und Wohltäter benutzten die Volksküchen, um das Los Notleidender zu stillen. So machte Herr Ludwig Meyer eine höchst wohltätige Zuwendung, welche er »Biancastiftung« im Andenken an seine verstorbene Frau genannt wissen wollte. Er gab in vierteljährigen Raten der Vorsitzenden die Gesamtsumme von 1.000 Mark zur sofortigen Verwendung, um schwangere Frauen bis zu ihrer Entbindung durch Volksküchenessen kräftig zu nähren. Die bedürftigen Frauen wurden damals meist vom Verein für häusliche Gesundheitspflege geprüft und der Kasse durch Frau SteinthaI, einem Vorstandsmitglied jenes Vereins, zugewiesen. Später gab Herr Meyer der Unterstützungskasse nochmals 40 Mark von Herrn von Cramm-Burgsdorff. Von 1875 bis 1883 hatte der Berliner Hausfrauenverein viele tausende Familien durch Volksküchen unterstützt. Auch der Verein zur Speisung armer Kinder und Notleidender teilt viele seiner Unterstützungen in Volksküchenmarken aus.