Hilfsbuch zur Gründung,

Leitung und Kontrolle von Volksküchen

Lina Morgenstern

Veränderung im Zentralvorstand von 1873 bis 1891

Nach dem Tode Joseph Lehmann's vertrat Herr Stadtrat, Syndikus Zelle, der vormalige Stellvertreter des Herrn Lehmann den Verein Von 1873 bis 1878. Sein Ausscheiden, in Veranlassung der Überbürdung von Berufsarbeiten, wurde von allen Mitwirkenden um so lebhafter bedauert, da sein mildes und doch bestimmtes Wesen, seine Gerechtigkeit wie seine eingehende Teilnahme an unserem Werk ihm die Liebe aller erwarben.
Dieselbe Sympathie und Hochachtung wurde seinem Nachfolger, dem Königl. Baurat Professor Ende, welcher von 1878 bis 1882 Vorsitzender blieb, da auch er das freiwillige Amt nicht mit seinen sonstigen Berufspflichten vereinigen konnte.
Von 1982 bis im März 1891 vertrat Herr Kreisgerichts-Direktor a.D., Syndikus Beisert den Verein als Vorsitzender, nachdem er schon seit 1879 Stellvertreter war. Zum lebhaften Bedauern der Kollegen schied dieser langjährige, den Vereinsinteressen treu ergebene Vorsitzende kurz vor dem Jubiläum im März 1891 aus und wurde in Anerkennung seiner Verdienste zum Ehrenmitglied in der Generalversammlung vom 29. April ernannt.
Sein Nachfolger wurde Herr Justizrat Professor Dr. jur. Leonard Jacobi †.

Als stellvertretender Vorsitzender folgten einander

da der Tod ihn seinem segensreichen Leben und unserem Verein entriss. Sein biederes Wesen, seine rege Teilnahme wie sein aufs praktische gerichteter Sinn haben ihm ein liebevolles Andenken gesichert. —
Ein recht schwerer Verlust für den Verein war der Tod des Herrn Rentier Ferdinand Würtzburg, der seit 1867, also zwanzig Jahre lang, das Ehrenamt des Schatzmeisters in nie ermattender Arbeit verwaltet hatte. Getreu dem guten Werke im kleinen wie im großen widmete er der Kontrolle des Zentralbüros und seinen angestellten Beamten täglich einige Stunden; mit jedem materiellen Fortschritt der finanziellen Entwicklung der Anstalten freute er sich und suchte auf die Vermögenslage fördernd zu wirken, so dass sein Hinscheiden tief schmerzlich von allen Beteiligten beklagt wurde und es recht schwer dünkte, diesen Verlust zu ersetzen.
Es gelang die durch die Wahl des Rentiers Herrn Hermann Jürgens; dieser und Herr Theodor Morgenstern als Kassenkurator gewählt, kontrollierten alle Rechnungen der Lieferanten, die Eingänge und Ausgänge der Gelder und Marken die Buch- und Kassenführung der angestellten Beamten. Beide Ämter geben auch die Aufgabe zur sicheren Anlage der disponiblen Vereinsgelder in Staatspapieren, über die Depots in der Reichsbank und über die, auf Schecks auszuzahlenden Gelder durch die Bank. Der Schatzmeister und der Kassenkurator prüfen die im Vereinsbüro geführten kleinen Kassenbücher der einzelnen Küchen, vergleichen deren Posten mit den zu gleichem Datum geschehenen Eintragungen im Hauptkassenbuch, sie nehmen wöchentlich einmal die Revision der Vereinskasse vor und nur mit Unterschrift beider Herren versehene Anweisungen zu Zahlungen haben Gültigkeit. So gehören diese beiden Ehrenämter zu den beschwerlichsten und zeitraubendsten.
Ein ebenso wichtiges Ehrenamt ist das des technischen Leiters, mit dem besonders in früheren Zeiten eine große Mühewaltung verbunden war. Der technische Leiter revidiert die baulichen Einrichtungen und begutachtet notwendige Reparaturen, er bestimmt Erneuerungen, die er ebenso wie Situationspläne und Kostenanschläge bei Neueinrichtungen dem Zentralvorstand erst zur Prüfung und Beschlussfassung vorzulegen hat. Er sucht geeignete Lokalitäten kontrolliert die Arbeiten der Handwerker, prüft deren Rechnungen und weist erst nach deren Vergleich mit dem Geleisteten Zahlung an. Von 1867 bis 1878 war Herr Theodor Morgenstern technischer Leiter, als jedoch Baumeister Lauenburg in jenem Jahr Vorstandsmitglied wurde, legte Herr Th. M. zu Gunsten des Fachmannes sein Mandat nieder und wurde Kassenkurator. Herr Baumeister Lauenburg überwies einem seiner Beamten die Revision der baulichen Arbeiten, dieser führte dieselben so zur Zufriedenheit des Vorstandes aus, dass er auch jetzt noch als baulicher Kontrolleur fungiert, während der Verein im Juni 1890 den Verlust des Herrn Baumeister' Lauenburg schwer empfand, den der Tod nach kurzer Krankheit im Juni 1890 ereilte.

An Stelle des Verewigten wurde der Königl. Bauinspektor Herr Buff gewählt, der diesem Amte bis zu seiner Versetzung nach Halle, 1892, vorstand.

Das Schriftführeramt im Verein hatte von 1978-1892 Herr San.Rat Dr. Blaschko, der schon früher als Arzt dem Verein lebhafte tätige Teilnahme erwies. Herr Sanitätsrat. Dr. Blaschko unternahm es, die Speisen der Volksküchen auf ihren Nährwert von dem Assistenten am Kaiserlichen hygienischen Institut, Herrn Dr. Proskauer, prüfen zu lassen und teilte das Resultat in der Festschrift zum 25 jährigen Jubiläum mit. Schon früher hatte Herr Sanitätsrat Dr. Blaschko in häufigen Untersuchungen des rohen Fleisches und der anderweitigen Materialien, sowie der gekochten Speisen in Bezug auf ihre schmackhafte Zubereitung zu prüfen Gelegenheit genommen und für tadellos gefunden. Das Bestreben, der Portion für 15 Pfennig etwas Fleisch mehr wie bisher zuzufügen, scheiterte stets daran dass sonst der Preis erhöht werden müsste.

Zu wiederholten Malen wurde erwogen, den Speisenden ein Glas Bier für 5 Pfennig zu verabreichen, doch dieser Antrag fiel beständig, weil die Vorsteherinnen fürchteten dadurch werde den Küchen ein anderer Charakter gegeben, welcher die Ehrendamen zum Teil zurückschrecken würde, die Aufsicht zu führen. Um jedoch das Durstbedürfnis zu befriedigen und gegen den Missbrauch des Branntweins Abhilfe zu schaffen Wurde beschlossen, Mittags Kaffee und Kakao und im Sommer kalte, abgekochte Milch oder Bierkaltschale zu verabreichen. Diese Einrichtung zeigte sich als durchaus zweckmäßig und dem Publikum willkommen. Der Kaffeekonsum in Portionen betrug von 1881 an in Summa:350.000 Becher pro Jahr.

Doch noch eine andere Bemerkung wurde bei Verabreichung des Kaffee gemacht. Eine große Anzahl Personen hatten nicht 15 Pfennig zu einem Mittagsmahl und ergriffen erfreut die Gelegenheit, einen Becher Kaffee oder Kakao mit Milch, Zucker à 5 Pfennig und einem Brötchen für 2 Pfennig, also zusammen für 7 Pfennig zu erlangen. Auch die Milch hat sich als Getränk während der Sommermonate gut eingebürgert.

In den Vorstandssitzungen der Damen führte Frau Morgenstern seit 1866 den Vorsitz. Frau Maria Gubitz war deren Vertreterin von 1867 bis 1868 und von 1876 bis jetzt. Frau Dr. Bertha Sachs hat das Schriftführeramt von 1882 an bis 1897.

Vor ihr war Fräulein Mathilde Böhm seit 1876 bis 1881 Schrittführerin. Da ergriff sie eine unheilbare Krankheit, die ihr Lehen zur Qual machte, bis sie 1881 Erlösung durch den Tod fand. Fräulein Mathilde Böhm, die eine kleine Schule und ein Pensionat leitete, widmete jede freie Stunde den Volksküchen, für die sie begeistert war und für deren Förderung sie mit Lust und Liebe arbeitete. Ihr schweres Geschick erweckte daher im Kreise ihrer Genossen die wärmste Teilnahme und ihr Andenken lebt unter uns fort. Der Frauenvorstand veranstaltete zuweilen gesellige Zusammenkünfte der Ehrendamen und Vorsteherinnen in dem Lokal der Kochschule des Hausfrauenvereins, um sich Beobachtungen mitzuteilen und Ansichten über Volksküchenwesen auszutauschen.

Von Versuchen, neue Nahrungsmittel in den Volksküchen einzuführen, wurde in den Sitzungen der Lokalvorstände berichtet und solche Produkte, welche Fabrikanten dem Vorstand übersandten, geprüft, ehe dieselben in den Volksküchen eingeführt wurden. Von den konservierten Nahrungsmitteln, welche die Vorsteherinnen prüften, wurden in den letzten Jahren getrocknete Gemüse mit gutem Erfolg in den Küchen gekocht. Auch wird Liebigs Fleischextrakt, Maggis Suppenwürze, Kathreiners Malzkaffee halb mit Bohnen gemischt in unseren Küchen verwendet.

Große Schwierigkeiten bereitete die Verteuerung der Fleischpreise, welche bereits in der Zeit Von Januar bis Oktober 1889 eine große Steigerung betrug und nie mehr gingen die Preise zurück.

Das 25. Jahr des Bestehens der Berliner Volksküchen hat den höchsten Konsum und den besten Vermögensstand ergeben, nämlich:

also zwei Millionen siebenhundertvierundzwanzig tausend vierhundert und neunzehn Portionen.

Das Vereinsvermögen, welches 1891 95.280 Mark 08 Pfennig betrug, hatte sich um 9.130 Mark 93 Pfennig vermehrt und zwar aus dem Betriebe um 6.276,66 Mark, aus den Zinsen um 2.854,27 Mark Die Kaiserin Augusta-Stiftung vermehrte sich um das von der hochseligen Kaiserin testamentarisch unserm Verein hinterlassene Legat von 10.000 Mark, welche in 4 pctg. Preuss. Consols angelegt sind. Die Zinsen werden dem Speisemarkenkonto zur Gratisspeisung Bedürftiger überwiesen.

Das Gesamtvermögen, welches der Verein der Berliner Volksküchen von 1866 incl. der ihm übergebenen Stiftungen verwaltet, betrug 152.465 Mark 75 Pfennig am 31. Dezember 1890.

In dieser Summe war inbegriffen:

Die letztgenannte Schenkung, der ich hier dankbar Erwähnung tue, ist von einem langjährigen Gönner der Volksküchen, Herrn Max Krause im Andenken an seine verstorbene Mutter gespendet worden. Derselbe gab 2.000 Mark, die nach seiner Bestimmung als Henriette Krause'sches Schenkungskapital der Verwaltung des Vereins übergeben wurden und deren Zinsen alljährlich am Geburtstag der Gründerin der Volksküchen, den 25. November, von dieser in Speisemarken an Arme verteilt werden sollen.

Die Friederike Dohm-Stiftung bestand ursprünglich aus 100 Taler, welche die Stifterin, eine langjährige Ehrendame der 1. Volksküche, bei deren Tode mit der Bedingung hinterließ, jedes Jahr davon 30 Mark unter das Personal jener Küche zu verteilen, bis die Summe verbraucht sein würde.

Die Kaiserin Augusta-Stiftung, welche 1879 zur Erinnerung an die goldene Hochzeit des ersten Deutschen Kaiserpaares durch dessen Geschenk von 3.000 Mark begründet war, ist durch das Legat der Kaiserin Augusta, von 10.000 Mark zur Höhe von 13.000 Mark angewachsen. Von den Zinsen desselben werden alljährlich am Hochzeitstage des Kaisers Wilhelm und der Kaiserin Augusta, den 11. Juni, und an deren Geburtstag, den 30. September, je 400 Speisemarken und von den übrigen Zinsen während der Wintermonate 2.666 Portionen an bedürftige Familien verteilt. Aus dem Pensionsfond für die Angestellten in den Volksküchen, der bisher ca. 40.000 Mark betrug, sollen die Zinsen in laufenden Unterstützungen an dienstunfähig gewordene Beamte und Beamtinnen nach zehnjähriger Dienstzeit verteilt werden.

Die Krankenkasse für das Dienstpersonal, welche früher fast ausschließlich von den Geschenken der hochseligen Kaiserin erhalten war und aus der die Erkrankten Verpflegung, Arzt, Medizin, Erfrischung und Stellvertretung erhielten, besteht jetzt nur insofern, als der Verein seinen Pflichtteil für das gesamte Personal der obligatorischen staatlichen Krankenkasse im Betrage von jährlich ca. 500 Mark abliefert. Für invalide gewordene Bedienstete ist durch die staatliche Invalidenkasse, zu welcher der Verein in Höhe seiner Angestellten beiträgt und durch die Pensionskasse des Vereins gesorgt.