Hilfsbuch zur Gründung,

Leitung und Kontrolle von Volksküchen

Lina Morgenstern

Der Verein übernimmt die Einrichtung einer Frauenküche

Im Dezember 1885 stellten Frau Cäcilie Seler und Fräulein Jenny Simion den Antrag an den Vorstand, eine Speiseanstalt für Frauen zu begründen. Sie motivierten ihr Vorhaben dahin. dass es viele angestellte Frauen und Mädchen in Geschäften und Ateliers gäbe, welche die Volksküchen nicht besuchen könnten, bei denen aber das Bedürfnis einer besseren und möglichst billigen Kost vorliegt. Sie beantragten, dass der Volksküchenverein die Gründung dieser Frauenküche in die Hand nähme. Der Antrag wurde angenommen und eine Frauenküche Kronenstr. 12 / 13 eröffnet. Fräulein Simion und Frau Seler leiteten dieselbe als Vorsteherinnen mit einem Komitee freiwillig wirkender Aufsichtsdamen.

Mit lobenswertem Eifer war die Küche ins Werk gesetzt worden. Der Antrag wurde in der Zentralvorstandssitzung vom 8. Dezember 1885 folgendermaßen von Fräulein Simion vorgetragen: »Die Frauenküche ist mit einem Kapital von ca. 2.000 Mark angefangen worden, zu welcher Summe der Zentralverein für das Wohl der arbeitenden Klassen 750 Mark beisteuerte, davon sind auf Einrichtung, Miete, Löhne und Bewirtschaftung etwa 800 Mark verausgabt worden, so dass nach vierwöchentlichem Bestand noch ca. 1.200 bares Kapital vorhanden sind. Die Gründerinnen wollen jedoch nicht ohne Anschluss an einen Verein die Frauenküche weiterführen und bitten, dieselbe in den Verband der Volksküchen unter Verwaltung des Vereins aufzunehmen.«

Die Frauenküche erwies sich für die dort speisenden Mädchen und Frauen täglich 200 bis über 250 als größte Wohltat für deren Gesundheit. Es sind meist Lehrerinnen, Künstlerinnen, Geschäftsgehilfinnen, sowie andere weibliche Beamtinnen, ferner alleinstehende Frauen, da letztere im eigenen Haushalt sich eine so kräftige ausreichende Kost nicht so billig und gut herstellen könnten, während die ersteren von ihrer Wohnung entfernt beschäftigten jungen Mädchen meist den ganzen Tag ohne warme Kost früher zubrachten. In Rücksicht darauf. dass alle diese Mädchen und Frauen an Suppe, Fleisch und Gemüse gewöhnt sind, werde die Art der Speiseverabreichung in den Frauenspeiseanstalten eine andere, als in den Volksküchen.
Es werden verkauft:

Im Dezember 1886 wurde eine zweite Frauenspeiseanstalt, Alexanderstraße 38a, eröffnet, deren Vorstand, Frau Dr. Strassmann, die Witwe des verstorbenen Stadtverordnetenvorstehers übernahm, die sich die größte Mühe gab und größte Opfer täglich an Zeit brachte, um diese zur gedeihlichen Entwicklung zu bringen, allein die Lage war ungeeignet, da der tägliche Konsum selten mehr als 50 Portionen ergab.

Die 2. Frauenspeiseanstalt wurde 1887 nach der Königstr. 43 verlegt, Wo sie bis zum Abbruch des Hauses im Frühling 1890 verlieb. Frau Dr. Strassmann und die Ehrendamen dieser Küche wetteiferten, sie in die Höhe zu bringen, die erstere führte täglich die Aufsicht. Aber gerade als sie anfing befriedigende Resultate zu liefern, wurde der Verein durch den Verlust der Vorsteherin schwer betroffen. Frau Dr. Luise Strassmann starb nach kurzer Krankheit am 23. Dezember 1889. Die Fürsorge und Pflichttreue, die sie der Anstalt gewidmet, die Entschiedenheit ihres Wesens und ihre Anspruchslosigkeit sichern ihr dauernd im Kreise der Kolleginnen ein liebevolles Andenken. Ihre Nachfolgerin wurde Frau Ollendorf, doch nur für kurze Zeit, da der Abbruch des Hauses den Vorstand zwang, die Küche aufzugeben. Es wurde keine Ersatzküche wieder eröffnet.