Die Volksküchen während der Kriegsjahre 1870 und 71
Auflösung des Erfrischungskomitees und Abgabe der Militärküche
Am 15. Juli lösten wir unsere Erfrischungskomitees auf und die weitere Verpflegung noch heimkehrender Soldaten übernahm eine vom Proviantamt eingesetzte Verwaltung.
Das noch vorhandene Depot des Zentralvereins sandte ich an den Vorstand desselben zurück.
Überschaue ich die Summe des Geleisteten in den Jahren 1870 und 71, so kann ich nicht ohne Rührung und Dankbarkeit an die Hilfe der hochseligen Kaiserin Augusta, der Vereine unter dem »Roten Kreuz« und derer gedenken, welche uns in großherzigster Weise ihre Mitwirkung gewährten, um 266.000 unserer tapferen Vaterlandsverteidiger ausnahmslos, außer ihrer bestimmten Ration, bewirten und zum großen Teil mit Verbandszeug, Wäsche und Kleidung beschenken zu können.
Vor allem gedenke ich auch der tätigen Mitglieder unseres Erfrischungskomitees, in welchem uns von Anfang bis Schluss am aufopferndsten
- die 1881 Verstorbene Frau Geheimrat Marie Rothert,
- Frau Daniel †
- und Tochter,
- Hermann Puls
- und Schwester,
- verehelichte Frau Kriegsrat M .Gerstenhauer,
- Frau und Herr Mannheimer †
- und andere mehr.
unterstützten.
Vom 22. Juli 1870 bis 15. Juli 1871 wurden auf den beiden Stationen von uns bewirtet und verpflegt:
Deutsche | 266.000 Mann | Französische Gefangene | 70.000 Mann |
Davon erhielten staatliche Verpflegung | 227.000 Mann |
Gratis vom Volksküchenverein in den ersten zwei Monaten | 20.000 Mann |
Durch Beihilfe des Zentralvereins | 23.400 Mann |
Durch freiwillige Beiträge | 29.600 Mann |
Gratis, auf Kosten des Herrn Th. Morgenstern | 30.000 Mann |
wobei tägliche Speisung von 25 – 30 Mann Wache in zehn Monaten.
Kranke und Verwundete wurden von Frauen des Komitees in den Monaten August und September verpflegt und verbunden: 6.000. Nach Errichtung der Verbandsstätte und nach Eintritt der Militärärzte fehlt uns jede Notiz der Statistik über die Verwundeten.
An Liebesgaben erhielt jeder Soldat
- 1 Stück Brot,
- 1 Zigarre,
- 1 Glas Bier
- oder Schnaps,
- Verbandszeug und Fußlappen auf dem Hinzug,
- Kleidungs- oder Wäschestücke auf dem Rückweg,
- ferner Tabak, Pfeifen ud anderes mehr.
Die Kranken und Verwundeten erhielten außer obigen genannten Sachen
- Wein,
- Fleischextrakt,
- Fruchtsäfte,
- Tee,
- Backobst,
- Filzschuhe,
- Handschuhe
- und an baren Unterstützungen 4.800 Mark.
In den Volksküchen in der Stadt betrugen vom 1. Januar 1871 bis 31. Dezember 1871 die Einnahmen von 13 Küchen 263.359 Mark 55 Pfennig Die Ausgaben 263.359 Mark 90 Pfennig mit Abschreibung vom Inventarkonto. Es blieb nach Verlust von 2.452 Mark 35 Pfennig ein Vereinsvermögen von 46.030 Mark 71 Pfennig.
Die Vorsteherinnen und Mitglieder der Küchen, welche sich in den Kriegsjahren ganz besondere Verdienste erworben hatten, waren:
- Frau Gubitz,
- Frau Dr. Elise Abarbanell,
- Fräulein Mathilde Böhm †,
- Frau Jeanette Daniel.
- Frau Lipps †
- und Frau Seeger,
welche in unserem Erfrischungskomitee wirkten,
- Frau Dr. Sachs hatte ein eigenes Lazarett.
- Frau Mara Richter war in dem Ulanenkasernen-Lazarett tätig,
- Frau Nicolai † im Lazarett ihres Bezirks,
- Frau Rendant Prehn im Verein preußischer Jungfrauen und Frauen,
- Frau Bittelmann in der 6. Volksküche, wo fortwährend Militärspeisungen stattgefunden,
- Fräulein Julie Thiede, damals noch Ehrendame, dann Vorsteherin der 3. und später der 15. Volksküche,
- Frau Bernheim verehelichte Mossner,
- Fräulein Backhoff,
- Frau Zuleger,
- Frau Julie Levin,
- Fräulein Johanna Degner, Ehrendame der zehnten Küche seit 1868 bis jetzt,
- Fräulein Kirsch,
- Fräulein Gutheins und Tochter,
- Frau Rebel,
- Frau Prof. Hörmann,
- Frau Bella Manheimer und Tochter,
- Fräulein Clara Morgenstern verehelichte Roth,
- Fräulein Therese Daniel verehelichte Hauptmann Faure,
- Frau und Fräulein Marcuse,
- Fräulein Meier,
- Fräulein Marie Puls jetzt Geheimrat Gerstenhauer,
- Frau Striemer und zwei Töchter,
- Fräulein Therese Salomon,
- Fräulein Strobach,
- Frau Würthner,
- Frau Kaiserblüth.
- Fräulein Aug. Spiegel jetzt Frau Rosenthal,
- zwei Schwestern Barsekow, von denen Agnes Barsekow verehel. Bohm, 1882 im Juli gestorben ist,
- Fräulein Bertram,
- Frau Vollmar,
- Frau Brandt.
Auf besonderen Wunsch der Kaiserin wurden in den Tagen vom 1. bis 7. September 1.200 Soldaten des vorübergehend in Berlin garnisonierenden 4. Garderegiments in verschiedenen Küchen à 200 Mann gespeist. Zweimal wohnte die hohe Protektorin des Vereins diesen Speisungen bei und besuchte außerdem am 27. März die 3. Volksküche mit der Frau Großherzogin Luise von Baden, der Frau Großherzogin von Sachsen-Weimar, sowie dem Prinzen Hermann von Weimar.
Da es sich in den Volksküchen schon oft als Übelstand geltend gemacht, dass die fungierenden Ehrendamen durch kein äußeres Zeichen sich als solche von den besoldeten Beamten unterscheiden, ließ der Vorstand bronzene Medaillen prägen, welche auf der einen Seite eine sitzende Ceres [Göttin des Ackerbaus und der Fruchtbarkeit] mit der Inschrift: Für treue, ausdauernde, persönliche Mitwirkung und auf der anderen Seite die von einem Kranz umgebenen Worte trägt: Ehrendame des Vereins der Berliner Volksküchen Von 1866.
Hochgeehrt und erfreut fühlte sich der Vorstand, als Kaiserin Augusta bei einem Besuche der 2. Küche die Verteilung der Medaillen an die Ehrendamen als einen glücklichen Gedanken bezeichnete und dabei eine solche Medaille, deren Ausführung den allerhöchsten Beifall fand, als dauernde Erinnerung an den Verein entgegennahm. Im selben Jahre verlieh die Kaiserin bei deren Besuchen zweimal 180 Mark zur Verteilung an die Krankenkasse für Dienstboten und von Speisen an Bedürftige.
In der Generalversammlung vom 29. April 1871 entwarf der Vorsitzende ein erfreuliches Bild von dem Wachstum des Vereins, welcher in dem misslichen Jahre 1870 vollauf Gelegenheit hatte, die gesunde Grundlage, auf welcher er einer allseitig anerkannten wirtschaftlichen Notwendigkeit zu genügen trachtet, darzutun. Sämtliche Küchen — bis auf die im Asyl für Obdachlose — befanden sich in steigender Benutzung.
Auf den Wunsch des Vorstandes, Corporationsrechte [Duden: Korporationsrecht – das einer Körperschaft verliehene juristische Recht] zu erlangen. hatte das Königliche Polizeipräsidium diejenigen Punkte bezeichnet, welche, ohne die Tendenz des Vereins zu berühren im Statut einer Änderung bedurften.
Zur Feststellung dieser Abänderung war jene Versammlung berufen und zu diesem Zwecke wohnte Herr Rechtsanwalt Wiener derselben bei. Ohne Debatte wurde die Veränderung angenommen, worauf im August 1871 aus Wiesbaden König Wilhelm dem Verein die Corporationsrechte verlieh.