Hilfsbuch zur Gründung,

Leitung und Kontrolle von Volksküchen

Lina Morgenstern

Die Volksküchen während der Kriegsjahre 1870 und 71

(Anmerkung: Möge man mir die subjektive Darstellung dieses Kapitels um dessentwillen verzeihen, weil es mir daran liegt ein, ein treues Zeitgemälde zu geben.)

Den großen Sommerferien 1870 sah ich mit unbeschreiblicher Sehnsucht entgegen. Die mannigfachsten Berufsbeschäftigungen, häusliche Pflichten, sorgendes Walten für fünf heranwachsende Kinder, Vereinstätigkeit in Volksküchen- und Kinderschutzverein (den ich 1869 begründete), Unterrichten in der Fortbildungsschule für junge Damen (von mir 1868 ins Leben gerufen), hatten meine Kräfte brach gelegt, sodass sie einer Erfrischung bedurften.

In der Nähe Potsdams, am Waldessaum zu Bornim, gelang es mir, ein stilles Häuschen zu mieten, wohin ich am 15. Juli mit den Kindern übersiedeln wollte.

Allein ehe ich mich dem behaglichen Stillleben hingeben konnte, war ich veranlasst an demselben Tage nach Berlin zurückzukehren.

In dem Eisenbahnzuge, mit dem ich fuhr, befand sich, wie ich hörte, Graf Bismarck, Gerüchte über die bekannten Auftritte in Ems zwischen König Wilhelm und dem französischen Botschafter Benedetti versetzten bereits auf den Stationen die Gemüter in Aufregung.

Wenige Stunden später traf König Wilhelm in Berlin ein. Unter den Linden wogte das Volk in immer dichteren Massen und drängte sich um das königliche Palais zusammen.

Die Kriegsdrohung der französischen Regierung rief stürmische Aufregung, König Wilhelms würdevolles Auftreten in Ems begeisterten Beifall hervor, der sich in endlosen Hochrufen und »Auf nach Frankreich« Luft machte. Der Lärm drang in meine stille Behausung. Im Geiste sah ich einen der großartigsten, blutigsten Kriege voraus, wenn französische und deutsche Nationalität in Hass und Zorn auf einander platzen würden.

Der Kampf von 1866 trat lebhaft vor meine Seele. Ich gedachte der Aufgabe der Frauen in jener Zeit, Leiden des Krieges zu mildern, Strapazen zu erleichtern, Gemüter zu ermutigen, zu begeistern und Wunden zu heilen.

Im Jahre 1866 hatte ich von vornherein meine Aufmerksamkeit unmittelbar auf das durch den Krieg ins Elend gestürzte Volk, auf die darbenden Arbeiter und den in Armut sinkenden Mittelstand gerichtet.

Nun meinte ich, sei jetzt die Aufgabe, die Erfahrung der Volksküchen, für die Ernährung der Soldaten während des Krieges zu nützen, da 1866 erhebliche Klagen wegen mangelhafter Verpflegung der Truppen auf den Bahnhöfen gehört worden waren. So besann ich mich nicht lange und bot dem Kriegsministerium an, meine Erfahrungen in den Volksküchen für Verpflegung der Soldaten auf den Stationen verwenden zu wollen.

Tags darauf fuhr ich wieder aufs Land, nach Bornim.

Wie die Einkehr in ein Paradies erschien der friedliche Aufenthalt im Bornimer Walde, wo ich umgeben von meinen heiteren Kindern in vollen Zügen die würzige Luft unter den schattigen Buchen einatmete.

Allein schneller, als man es erwarten konnte, überraschten uns die Kriegsereignisse. Die Sorge um das Haus ließ mich nicht rasten. Da erhielt ich einen Brief von Gräfin Charlotte von Itzenplitz mit der Bitte, ihr die Volksküchen zu zeigen, weil sie wissen wollte ob und wie viel Landwehrfrauen der Vaterländische Verein täglich speisen lassen könnte. Ich fuhr nach Berlin. Hier fand ich eine Aufforderung vor, aufs Proviantamt zu kommen, wo mir das Anerbieten wurde, die Speisung durchziehender Truppen auf den hiesigen Bahnhöfen zu übernehmen. Mein Mann, der mich begleitet hatte war mit mir sofort der Meinung, die Verpflegung als ein patriotisches Unternehmen dem Volksküchenverein zu übertragen.

Der Rechnungsrat B. mit welchem wir verhandelten, sagte: »Hier handelt es sich um schnellen Entschluss, da bereits am folgenden Tage die Truppenmärsche beginnen.« In kurzen Worten wurde uns klargelegt, in welcher Weise man die Truppenspeisung bisher gehandhabt habe. Wir fragten nach den Lokalitäten, wo gekocht werden sollte und man ersuchte uns, nach denselben auf den Bahnhöfen uns zu erkundigen.

Ein strömender Regen begleitete unsere Fahrt nach den Ost- und Niederschlesisch-Märkischen Bahnhöfen, welche etwa zehn Minuten von einander entfernt lagen. Vergebens wanderten wir hier von einem Beamten zum andern, jedoch nirgend wusste man von den der Militärbehörde zu übergebenden Räumen.

Ohne jeden Erfolg fuhren wir aufs Proviantamt zurück, wo man uns achselzuckend den Bescheid gab: »Der Krieg hat uns überrascht, wenden Sie sich an die Intendantur.«

Allein auch dorthin wurde die Irrfahrt vergebens gemacht, da wir das Amt geschlossen fanden.

Wir Verfassten am Abend ein Zirkular [Rundschreiben] an den Vorstand des Volksküchenvereins, um diesen für den kommenden Nachmittag zu einer Sitzung einzuladen, indem wir zugleich unsern Antrag, seitens des Vereins die Verpflegung der Truppen zu übernehmen, motivierten.

Schon am andern Morgen erschien ein Intendanturbeamter, mit der bestimmten Meldung, dass am Abend desselben Tages, den 23. Juli, auf dem Ostbahnhof 250 auf dem Niederschlesisch-Märkischen Bahnhof 1.000 Mann zur Verpflegung ankommen würden.

Mein Mann fuhr nach den Bahnhöfen, um Kesselküchen anlegen zu lassen, ich selbst hatte an jenem Vormittag eine Sitzung des Kinderschutz-Vereins (Anmerkung: Zweck desselben war neugeborenen Kinder bis zum 4. Jahre aus dem Elend der Verlassenheit und Not, besonders vor den sogenannten Engelmacherinnen zu retten.) zu leiten, dessen Vorstandsmitgliedern ich den Antrag stellte, der auch genehmigt wurde, uns während der Kriegszeit besonders der Säuglinge der zu den Fahnen berufenen Landwehrmänner anzunehmen respektive deren Müttern Beistand und Unterstützung zu gewähren.

Kaum hatten mich die Damen und Herren des Vorstandes verlassen, so kam mein Mann mit der entmutigenden Nachricht, dass es unmöglich sei, wegen der Militäraushebung Arbeiter zum Aufbau der Kochherde zu bekommen und dass auch kupferne Kessel erst auf Bestellung angefertigt werden müssten.

Was nun? — Rechtzeitig erinnerten wir uns, dass Dr. Strousberg im Winter vorher für die Armen Gratisspeisungen veranstaltet habe, wobei er sich transportabler eiserner Kochherde bedient hatte. Diese müssten noch vorhanden sein. Sie zu erlangen begab ich mich, in Begleitung von zwei Vorsteherinnen der Berliner Volksküchen, Fräulein Mathilde Böhm und Frau Jean. Daniel, in das Büro des Herrn Dr. Strousberg. Nach mannigfachen Wanderungen, konnten wir dennoch nicht bis zu diesem mächtigen Eisenbahnkönig vordringen, wohl aber vermochte ich nach längerer Unterredung mit seinem Disponenten Herrn Dr. Schwarz diesen dahin zu bewegen, uns — gegen bare 3.000 Mark Kaution — die eisernen Kochherde mit Kesseln zu überlassen.

Inzwischen nahte die Stunde der Entscheidung. Wir begaben uns in die Vorstandssitzung, wo die Vaterlandsliebe der Mitglieder Begeisterung für unsern Antrag zeigte und beschlossen wurde, die Verpflegung der durchziehenden Truppen auf den beiden bereits genannten Bahnhöfen von Seiten des Volksküchenvereins zu übernehmen. — Mein Mann und ich behielten uns die Oberleitung vor, die Vorsteherinnen verbanden sich mit uns, zu einem Erfrischungskomitee zur Teilung der Arbeit, die Herren des Vorstandes übernahmen Überwachung und Kontrolle der Bürobeamten und Verwaltung der Kasse und es wurde auf die Unterstützung der zahlreichen Ehrendamen in den Volksküchen gerechnet.

Nachdem in solcher Weise das ganze Unternehmen eingeleitet war, musste ich meinem Mann und den Damen die Vorbereitung der ersten Speisung und den Empfang der angekündigten Soldaten überlassen. Ich selbst fuhr zu meinen Kindern nach Bornim, um sie während einer nun voraussichtlichen, längeren Trennung zu versorgen.

Das erste Soldatenessen wurde in der 7. Küche am Grünen Weg gekocht und auf den Bahnhof transportiert.

Was ernster Wille vermag, erkannte ich an jenem Abend. Unter den mannigfachen Anstrengungen und Erregungen dieses ereignisreichen Tages schien mein Körper zusammenzubrechen.

Mit Jubel empfingen mich die Kinder in dem einsamen Landhaus, mit Staunen lauschten sie meinen Erzählungen und meine älteste, damals 15 jährige Tochter versprach, so gut sie es vermochte. vereint mit dem treuen Hausmädchen, die jüngeren Geschwister zu pflegen und zu beaufsichtigen.

Als der andere Morgen sein sonniges Licht über die Gefilde des Landes ergoss und der schöne Buchenwald vor unsern Fenstern zu einem Spaziergang einlud, war es ein eigentümliches Wehe, das meine Brust durchzog, all diesen stillen, ersehnten Freuden der Natur und der Erholung im friedlichen Kreise der Kinder zu entsagen, um mich in eine geräuschvolle schwer verantwortliche Tätigkeit zu stürzen! Aber die Vaterlandsliebe und der Gedanke: Es ist Dir beschieden, für viele Tausende mütterlich sorgen zu können, überwanden jedes andere Gefühl!

Noch einmal ging ich mit den Kindern die stille Dorfstraße entlang; aber kriegerischer Lärm unterbrach die Gespräche der Kleinen, die jubelnd mehrere Gruppen Ulanen beobachteten, welche hier ihre Übungen machten und sich dann am Waldessaum lagerten. Bald zeigte sich uns ein neues Bild.

Aus der Ferne tönte Gesang. Es waren ausziehende, erst eingekleidete Soldaten, die von ihrem Heimatdorf Abschied genommen hatten, ehe sie nach Frankreich zogen. Mutig und entschlossen ritten die jungen, kräftigen Gestalten dahin, und dennoch klangen ihre Gesänge gar wehmutsvoll.

Aus einer Bauernhütte drang Weinen und Schluchzen. Wir sahen durchs niedere Fenster. Ein junger Soldat nahm Abschied vom Vaterhaus.

»Das ist der Krieg!« sagte ich zu meinen Kindern. »Wie wird er wieder heimkehren — und wird er heimkehren?«

Auch die Kinder waren traurig geworden.

»Seht Ihr,« sagte ich, »diesen Soldaten, deren viele Tausende ihr Leben fürs Vaterland wagen, will ich helfen, ich will sie pflegen, sie ermuntern und trösten! Darum muss ich Euch verlassen. Bleibt nur gut und brav!«

Wir kehrten in unser Gärtchen. Noch wusste ich nicht, auf welche Weise nach Potsdam gelangen; da rief ich einem vorüberfahrenden Müllerburschen zu, ob er uns auf seinem Leiterwagen mitnehmen wolle. Verwundert und lachend willigte er ein.

Auf Mehlsäcken ruhend, fuhren wir, da meine älteren Kinder mich begleiten wollten, auf dem elenden Bretterkarren dahin. Tüchtig zerschüttelt, aber umweht von der frischesten, reinsten Morgenluft gelangten wir nach Potsdam. Am Tor verließen wir den Wagen, welcher mein Gepäck zur Bahn bringen sollte, wohin wir uns zu Fuß begaben. Wir mussten eilen — denn um 6 Uhr Morgens ging der erste Zug ab. — Kaum hatten wir den Wagen verlassen, so zertrümmerte er durch einen Zusammenstoß mit einem Lastwagen.

Das sonst stille Potsdam hatte damals ein außerordentlich buntes, kriegerisches Ansehen. Auf den Straßen wogten Menschen aus allen Gesellschaftskreisen, aber vor allem ganze Züge tobender Bauern. Von den umliegenden Dörfern zogen Burschen am Arm ihrer Mädchen, mit Bündeln am Stock, den sie bald mit der Büchse vertauschen müssten, zur Stellung. Frisch eingekleidete Soldaten häuften sich überall, ein Fuhrwerk drängte das andere und vor der Kommandantur standen im dichten Gewühl die Söhne der Bürger und Bauern, welche hier als Vaterlandsverteidiger Uniform und Waffen erhalten sollten.

Auf dem kurzen Wege von Potsdam nach Berlin wurde das Kriegsbild immer bunter. Auf jeder Station harrten Schwärme eingezogener Jünglinge und Männer des Zuges. Um sie her sah man die Dorfbewohner. Bald hörte man rohe Scherze und prahlerische Worte, bald Weinen und Klagen. Patriotische Lieder erfüllten plötzlich den Volksmund.

Wie sehr verändert fand ich Berlin in der einen Nacht! Auch hier war Alles in Bewegung.

Ich fuhr zunächst zur Vorsitzenden des vaterländischen Frauenvereins, Gräfin Charlotte von Itzenplitz, um mir von ihr einige Fahnen mit dem roten Kreuz zu holen, unter dessen Zeichen die freiwillige Pflege sich begeben hatte — und bat sie, uns bei unserm Werke zu unterstützen.

Der vaterländische Frauenverein unter dem allzeit persönlichen Schutze der Königin Augusta, war bereits in vollster Tätigkeit, er hatte sich dem Zentralverein für Pflege verwundeter Krieger angeschlossen, der unter dem Vorsitz des Geheimrat von Sydow † Unter den Linden 12, das Zentralbüro errichtet hatte, von dem aus unzählige Wohltaten überall hin gespendet wurden.

Von dort fuhr ich nach dem Niederschlesisch-Märkischen Bahnhofe. — Zehn Minuten hinter demselben lag der für uns bestimmte Güterschuppen, welcher bereits zu einer großen luftigen Speisehalle für zweitausend Mann umgewandelt war.

Obgleich jede Vorbereitung Tags zuvor gefehlt hatte, war es in derselben Nacht von meinem Mann und vier Vorsteherinnen der Volksküchen möglich gemacht wurden, die angemeldeten Truppen mit warmen Speisen und Getränken zu versorgen.

Jene Damen waren:

denen sich später noch die Vorsteherinnen:

anschlossen.

OstbahnhofEhe ich ein Bild der beispiellosen Tätigkeit entwerfe, die fortan in diesen Räumen herrschte, sei mir eine kurze Beschreibung der Örtlichkeit vergönnt!

Rechts von dem Schienenstrang der Niederschlesisch-Märkischen Bahn erstreckte sich der eine Güterschuppen als Schauplatz unseres Wirkens.

Dünne Holzwände, ein luftig aufgebautes Dach, große, zurückzuschiebende Tore waren dessen äußeres Gewand. — Im Innern sah man lange Reihen feststehender Bänke zu je 50 Mann, am äußersten unteren Ende einen abgegrenzten Raum für die Offiziere, am oberen Ende ein Buffet, an welchem während der ersten Tage von einem Händler Bier verabreicht wurde; doch sobald wir einige freiwillige Geschenke erhielten, entließen wir den Händler und verteilten Bier und andere Getränke unentgeltlich.

Als Speisekammer diente uns ein etwa zwölf Fuß großer Raum, der zugleich unsere Garderobe enthielt und die einzige Zufluchtsstätte bildete, in welche wir uns des Nachts zurückziehen konnten.

Die Küche lag sehr unbequem im Keller, der in den ersten Monaten nur erreichbar war, wenn man die Rampe des Güterschuppens überschreitend, um die Ecke des Gebäudes bog.

In den Kellerräumen befanden sich vier Kammern, deren jede einzelne eine Küche mit großen Kesselherden darstellte. Da jeder Kessel 200 – 300 Quart enthielt, vermochte man in kurzer Zeit ein Mahl für 1.000 – 2.000 Mann herzustellen. Die verschiedenen Räume erschwerten jedoch die Aufsicht und Arbeit ungemein, und da von früh bis spät Gaslicht zur Beleuchtung angewandt werden musste, herrschte im Sommer unerträgliche Hitze.

In dem Flur, welche die Küchen miteinander verband, befanden sich riesige Bottiche zum Waschen des Gemüses, sowie die großen Gefäße in denen man das Essen nach der Speisehalle hinauffuhr. Neben den Küchen lag die Speckkammer, mit den nie versiegenden Vorräten von Speck, anderem Fleisch und Cerealien.

Der zweite Güterspeicher, welcher uns auf dem Ostbahnhof zur Verfügung gestellt wurde, lag nicht wie der erste mitten auf dem Güterhofe, sondern am Rande der Straße.

Um ihn von dem ersteren aus zu erreichen, wählten wir meist den Weg über die Schienenstränge, was im Anfang wohl mehr als zwanzig Mal des Tags geschah.

Lage des OstbahnhofesDer Schuppen der Ostbahn war ähnlich dem eingerichtet, wie ich zuerst beschrieben, nur minder luftig und geräumig, aber bequem durch die eisernen Kochherde, die wir hatten am Eingang aufstellen lassen, wodurch dieser Kochraum, der nur einige Stufen niedriger als die Speisehalle lag, bequem zu erreichen und zu überschauen war. Jenseits der Kochherde zog sich eine erhöhte Galerie, mit einem Ausgang nach der Speckkammer und einen andern nach außen. In den ersten vierzehn Tagen war an keine Nachtruhe zu denken.

Von des Morgens 2 Uhr bis Mitternacht kamen ununterbrochene Militärzüge von fünfhundert bis tausend Mann, Stunde um Stunde.

Welch eine Berechnung der Speisen für uns, da wir sorgen müssten, dass alle Vorräte herbeigeschafft, alle Bestellungen rechtzeitig gemacht wurden, weil wir mehr als eine halbe Stunde von dem Büro der Volksküchen und dem Mittelpunkt der Stadt entfernt waren und in jenen Tagen selten eine Droschke zu haben war; Pferdebahnen gab es noch nicht. So wurde eine große Menge besoldeter Hilfskräfte neben den freiwilligen erforderlich.

Die kaum zu bewältigende Arbeit, die schwierige Art der Verpflegung, oft ohne jegliche Unterbrechung achtundvierzig Stunden hintereinander, ließ uns befürchten, dass selbst die Mithilfe der Mitglieder der Volksküchen nicht ausreichen würde. Wir erließen daher einen öffentlichen Aufruf, um Frauen und Jungfrauen zur Teilnahme an dem patriotischen Werke aufzufordern.

Der Erfolg führte uns eine große Anzahl Damen und Herren zu, die sich unbedingt unserem Kommando unterwarfen und jeden Dienst mit lobenswertem Eifer verrichteten.

Den ganzen Tag und die ganze Nacht dampften unsere Kessel, beständig wurden Erbsen, Linsen, Bohnen und Reis in Bouillon gekocht, Kaffee bereit gehalten, Speck, Rindfleisch und Wurst geschnitten und zwei Brotmaschinen in Bewegung gesetzt.

Wir hatten uns dem Proviantamt gegenüber verpflichtet, ½ Liter Kaffee mit Milch und Zucker für 13 Pfennig, Reis oder Erbsen ¼ Pfund mit 1 Pfund Speck oder Fleisch zu geben und erhielten vom Juli bis Oktober für die Portion Gemüse mit Fleisch 45 Pfennig. Wir gaben jedoch gleich von vorn herein, ¾ Liter Kaffee und 21 Lot Gemüse mit ¼ Pfund Fleisch und fügten für jeden Soldaten eine Zigarre, ein Stück Brot, ein Seidel Bier oder ein Gläschen Branntwein hinzu.

Um den großartigen Anforderungen solcher Erfrischungen für täglich tausende von Soldaten genügen zu können, erließen wir einen Aufruf: uns mit Liebesgaben zu bedenken. Der verewigte Geheimrat Alexander von Mendelssohn war der erste, welcher uns 300 Mark schickte, ihm folgten viele, viele unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen in großherziger Weise, allein wir hätten unser Werk konsequent während des ganzen Jahres nicht durchführen können, wäre uns nicht ausreichender Beistand vom vaterländischen Frauenverein, wie vom deutschen Hilfsverein geworden.

Als nämlich Deputierte des letzteren, und zwar die Herren Stadtverordneten- Vorsteher Kochhann † und Stadtverordneter Friedländer † Zeuge waren, wie wir an einem einzigen Tage außer den angemeldeten Truppen einigen Tausend auf den Straßen zur Verladung umher liegenden Soldaten gratis Speisen und Getränke verabreichten, da sie zum Weitertransport bestimmt, weder Quartier noch Essen erhielten, aber aus Mangel an Wagen auch nicht weiter gebracht werden konnten, verschafften diese Herren uns eine Unterstützung ihres Vereins von 2.000 Taler zu Bier, Brot und Zigarren, während der vaterländische Frauenverein uns mit Fußlappen, Verbandstaschen, Früchten, Fruchtsäften und auch Wein versorgte.

Welche Hilfe später der Zentralverein für die im Felde verwundeten und erkrankten Krieger uns bei Beginn der Züge Verwundeter zu Teil werden ließ, werde ich weiter unten erzählen.

So ward unser innigster Wunsch befriedigt, kein durchziehender Soldat durfte unerquickt von uns gehen, mit vollen Händen konnten wir nach allen Seiten hin geben und die mühevolle Arbeit wurde durch der Soldaten Dank und Frohmut belohnt; die Wacht am Rhein tönte Tag und Nacht, unter den Truppen herrschte Begeisterung, ihr Hurra begrüßte uns bei der Ankunft, donnerndes Hoch erschallte freudig zum Dank bei Abfahrt der Züge; wir aber sahen den jungen, kräftigen Gestalten wehmütig nach, die in bunter Gruppierung zusammengedrängt, leichten Herzens in den Krieg zogen — und von denen ach so Viele nun in fremder Erde ruhen! —