Die ersten Anerkennungen
Während der Sommermonate 1869 fand zu Amsterdam eine internationale Ausstellung statt. Der Verein der Berliner Volksküchen wurde aufgefordert, dieselbe zu beschicken. Infolge dessen entsandten wir in einer Mappe die Photographien des inneren Raumes einer Volksküche, eines Speisesaales und ein Exemplar der Schrift von Lina Morgenstern über die Bedeutung der Volksküche. Bei der Preisverteilung erhielten die Volksküchen die silberne Medaille nebst Diplom.
Abgesehen von der lebhaften Teilnahme und der Nacheiferung, welche die Volksküche in den Bürgerkreisen der Städte fand, wurde ihr ein ganz besonderes Interesse von Seiten der Militärbehörden zugewendet. Die Bataillonschefs und Kommandeure der verschiedenen Regimenter verlangten von mir briefliche Auskunft, sowie die Broschüre und führten unsere Kochrezepte und Berechnungen in den Kasernen ein.
Auch der Consum-Verein in Burg beabsichtigte eine Volksküche zu errichten. Es erging an mich die Einladung, der dortigen Arbeiterbevölkerung die Bedeutung der Volksküchen in einem Vortrage darzutun. Ich hielt denselben am 22. Mai 1868; es wurde infolge dessen bereits ein hinreichendes Kapital von 1.200 Mark gezeichnet, an welchem jeder Arbeiter sich mit 10 Pfennig beteiligen konnte und man eröffnete dort eine Volksküche.
Im November 1868 war eine Deputation Hamburger Damen und Herren nach Berlin gekommen, um unsere Einrichtungen näher kennen zu lernen, und nachdem wir eine Zeit lang teils mündlich, teils schriftlich über die Angelegenheit konferiert hatten, bildete sich dort ein Komitee, welches im Ganzen drei Volksküchen begründete, von denen sich jedoch für die Dauer nur eine am 5. Oktober 1869 eröffnete, unter der vortrefflichen Leitung der Frau Dr. Henriette Salomon †, mehrere Jahrzehnte erhielt.
Im Dezember 1868 hielt ich in meiner Vaterstadt Breslau einen Vortrag über Volksküchen, dessen Erfolg erhebliche Zeichnungen an Geldbeiträgen und die Bildung eines Vereins war, den Herr Dr. Sigismund Asch begründete und dem sich Damen und Herren zahlreich anschlossen. Am 1. Februar 1869 wurde die erste Volksküche im Innern der Stadt eröffnet, am 23. April 1869 die zweite. Während des Jahres 1869 speisten in diesen beiden Küchen zu Breslau 128.828 Personen. Länger als diese Volksküchen erhielt sich in Breslau die dort begründete 3. Volksküche nach jüdischen Ritualgesetzen. Gegenwärtig besteht in Breslau eine städtische Speiseanstalt, angeregt durch Herrn Oberbürgermeister Bender, geleitet von Frau Dr. Jenny Asch.
Am 21. Februar 1870 wohnte Königin Augusta der Eröffnung der 12. Volksküche, Neue Jacobstraße 11 – 14 bei. Am 29. März erschien die Königin in Begleitung der Frau Großherzogin von Baden und des Großherzogs von Sachsen-Weimar in der 3. Küche, Rosenthaler Straße 40. Am 7. April begrüßte der Vorstand die Königin das zwölfte Mal in den Volksküchen — in der 9. Küche, damals Linienstraße 47 — von wo sie sich ohne jede vorherige Meldung in die von den jüdischen Gemeindemitgliedern errichtete Volksküche begab, in deren freundliche Räume die Königin zur Zeit der Verteilung kam als gerade die speisenden Arbeiter versammelt waren.
Diese Volksküche war nicht von unserem Verein, doch nach denselben Grundsätzen von einem Komitee Herren und Damen errichtet, an des Spitze standen:
- der Geheime Sanitätsrat Dr. Steinthal,
- Herr Oppenheim sen.,
- Singer,
- H. Löwenberg,
- Demuth
und die Damen:
- Frau Lipmann-Wulf †,
- Frau Sommerfeld,
- Frau Heymann
- und andere mehr.
Die Küche wurde täglich von ca. 300 – 400 Personen besucht, unter denen immer ⅖ Christen waren.
Das Bedürfnis gerade für die nach den alten Ritualgesetzen noch streng lebenden notleidenden Juden, Volksküchen anzulegen, die bei der zunehmenden Freisinnigkeit ihrer Glaubensgenossen nicht mehr wie früher überall einen freien Tisch annehmen können, hat, wie in Breslau, so in Warschau, Wien und anderen Orten die Begründung von Volksküchen, nach israelitischem Ritus der Speisebereitung, veranlasst.
Nach den bis dahin gemachten praktischen Erfahrungen arbeitete ich im Jahre 1868 das erste Kochbuch für Volksküchen mit 37 Rezepten aus, wobei der damalige Portionenpreis: 1 Quart mit 1 Silbergroschen 9 Pfennig für die ganze Portion, ½ Quart 1 Silbergroschen für die halbe Portion Berücksichtigung finden musste. Als die Literberechnung nach Mark und Pfennigen 1875 eingeführt wurde, änderte der Verein die Portionenpreise auf 1 Liter Gemüse mit 135 Gramm Fleisch 25 Pfennig auf ⅘ Liter Gemüse und 45 Gramm Fleisch 15 Pfennig, auch wurde eine Abwechselung von 52 verschiedenen Gerichten eingeführt, deren Rezepte ich in der zweiten Auflage des Kochbüchleins 1880 und in der 3. Auflage 1883 brachte.