Hilfsbuch zur Gründung,

Leitung und Kontrolle von Volksküchen

Lina Morgenstern

Reformen in der Verwaltung

Vom 1. November 1867 an führte der damalige Vorstand folgenden Modus, die Geldverwaltung betreffend, ein:

Kein Vorstandsmitglied oder Küchenvorstand hat mit Geldeinnahme oder -ausgabe zu tun. Der Schatzmeister gibt einem bestimmten Bankhaus die in Staatspapieren angelegten Gelder, deren Coupons getrennt im Zentralbüro liegen. Das Bankhaus erhält auch die laufenden Einnahmen und zahlt die regelmäßigen Lieferungen, während dem Büro eine Tageskasse verbleibt. Besoldete Beamte dürfen ohne Bestätigung und Anweisung des Schatzmeisters oder Kassenkurators keine selbständigen Ausgaben machen. Jede Anweisung auf Zahlung muss zwei Unterschriften tragen, die des Schatzmeisters und eines dazu bestimmten Vorstandsmitgliedes. Lieferanten werden von den besoldeten Beamten weder engagiert noch entlassen.

Außerordentlich viel zu dem Gedeihen der Küchen tragen die Wochenrapporte an sämtliche Vorstandsmitglieder bei, welche eine Übersicht über jede einzelne Küche und das ganze Unternehmen gestatten. Sie enthalten die Zahl der bar verkauften ganzen und halben Marken und deren Betrag: ferner die Zahl der verspeisten Portionen zu verschiedenen Preisen, zusammengestellt nach den Kontrollbüchern. Außerdem eine Rubrik: Kalkulation der Speisen, zusammen getragen nach den täglichen Speisezetteln, welche dem Büro aus den Küchen zugehen; ferner eine Rubrik: Unkosten der einzelnen Küchen für die laufende Woche für Miete, Gas und Personal, sowie Generalunkosten und dann das Ergebnis eines plus oder minus.

Die Küchenvorstände stellten gemeinsam einen Küchenzettel auf 14 Tage für alle Küchen in den Küchenvorstandssitzungen fest. Die Sitzungen des Zentralvorstandes im Verein mit den Deputierten der Küchenvorstände wurden allmonatlich einmal abgehalten und regelmäßig besucht. Auf höchst anerkennungswürdige Weise hielt Herr Direktor Lehmann diese Regelmäßigkeit aufrecht und widmete sich mit fortdauernder warmer Teilnahme und Umsicht dem Amt des Vorsitzenden des Zentralvorstandes bis zu seinem Tode, während ich die regelmäßigen Sitzungen der Küchenvorstände noch bis heute leite.

Die Vorsteherinnen kommen mit den drei Damen alle vierzehn Tage in Sitzungen zusammen, in denen Berichte aus Küchen gegeben, eine Prüfungskommission für die zunächst folgenden 14 Tage ernannt und alle inneren Angelegenheiten des Vereins besprochen werden. Hierdurch herrscht ein freundlicher Geist der Verständigung unter den Vorsteherinnen, die Küchen bleiben in einheitlicher Leitung, ein reger Wetteifer fördert die Güte der Speisen, guten Einkauf und Berechnung. Wenn dennoch einige Küchen nicht den erwarteten Erfolgen entsprachen, lag dies lediglich daran, dass man sich über die Bedürfnisfrage in einer Stadtgegend getäuscht hatte. Auch hier muss die Erfahrung Lehrmeisterin sein.

Ferner wurde eingeführt: Regelmäßig werden die Küchen von einer Vorstandsdame und zwei Küchenvorsteherinnen inspiziert. Die Inspektionen wechseln alle 14 Tage ab. Die prüfenden Damen erstatten in den Sitzungen Bericht. Diese Inspektionen haben den Zweck, eine beständige Kontrolle zu üben, eine gleichmäßige Bewirtschaftung in den Küchen, sowie gleich gute und sauber bereitete Speisen zu erzielen, die Güte der Speisen zu prüfen, die Berechnungen zu vergleichen und die besten Lieferungen ausfindig zu machen.

In der Generalversammlung vom 24. November 1868 überreichte ich dem Verein eine Broschüre über die Volksküchen, ihre Organisation, Verwaltung und Statistik. Ein Exemplar sandte ich der Königin Augusta. Die hohe Frau ließ sich 25 Exemplare jener Broschüre kommen, um dieselbe an Behörden deutscher Städte zu versenden, mit der Anregung, auch solche Volksküchen zu begründen. Die für jene 25 Exemplare mir von der Königin übersandten 300 Mark, die ein huldvolles Schreiben begleitete, überwies ich unserem Vorstande als Gründungsfonds einer Krankenkasse für das Dienstpersonal. Die Erkrankten erhielten vier Wochen volles Gehalt, ärztliche Pflege oder das Krankenhaus, und im Fall sie zu Hause blieben, Medizin und Erfrischungen, Die Krankenkasse wurde fast nur von Geschenken der Kaiserin Augusta unterhalten. Seit die obligaten Krankenkassen sowie Invaliden- und Altersversicherung eingerichtet sind, zahlt der Verein seinen Betrag als Arbeitgeber für 100  – 120 Bedienstete.

Vielfache Personaländerungen gingen in den Jahren 1868 – 70 im Vorstand vor.

In der oben genannten Generalversammlung wurde folgender Vorstand gewählt:

die Damen:

Die letztgenannte hatte schon im Juni den Vorstand der 1. Küche niedergelegt, den Frau Dr. Bertha Sachs übernahm. Unter der Leitung dieser eifrigen und umsichtigen Frau, welche sich 1866 schon durch ihre aufopfernde Tätigkeit im eigenen Lazarett ausgezeichnet hatte, erreichte die 1. Volksküche die höchste Blüte. Bis 1878 blieb sie Vorsteherin derselben, musste sich wegen Krankheit in der Familie einige Zeit zurückziehen und wurde später in den Zentralvorstand gewählt, wo sie viele Jahre als eifriges Mitglied wirkte. Prof. Franz von Holtzendorff und Frau Maria Gubitz, welche damals Berlin verließen, wurden zu Ehrenmitgliedern ernannt. Der erstere starb einige Jahre darauf, die letztere kehrte nach einiger Zeit zurück, wurde wieder in den Zentralvorstand gewählt und wirkt heute noch in demselben als stellvertretende Vorsitzende der Lokalvorstände.

Am 1. April 1869 wurde die 11. Küche, Königstraße 44, in Gegenwart der Königin Augusta eröffnet, welche von ihrer erlauchten Tochter, der Großherzogin von Baden, K.H. [Königliche Hoheit] zum ersten Mal begleitet wurde.