Geschäftsordnung.
d. Geschäftsordnung für das Personal und die Bewirtschaftung der Volksküchen.
Das besoldete Personal jeder Küche besteht aus einer Markenverkäuferin, einer Wirtschafterin, einer Köchin und je zu 100 Speisenden einer Hilfsfrau. — Der Markenverkauf findet nur während der Speisezeit statt. Die Speisen dürfen nur gegen Marken verkauft werden. Sobald die Markenverkäuferin und die Ehrendamen abgerechnet haben, darf keine Portion mehr verkauft werden.
Die Volksküche ist außer der Speisezeit geschlossen und wird präzise um 11 Uhr Mittags geöffnet, die Speisezeit dauert bis 2 Uhr; abends von 6 – 20 Uhr; vor dem Öffnen darf vom Publikum Niemand hineingelassen werden. Lieferanten benutzen den hinteren Eingang. Der Volksküchengast begibt sich zur Kasse, kauft dort die betreffende Speisemarke und tritt an das Buffet, um dort gegen Abgabe der Marke von den Ehrendamen die Speisen zu empfangen. Der Gast nimmt an den Tischen Platz, auf welchen Kannen mit Trinkwasser, Gläser, Pfeffer- und Salznäpfe — auch bei bestimmten Speisen Essigflaschen — zur Benutzung stehen. Nach dem Essen ist längerer Aufenthalt in den Volksküchen nicht gestattet, um für die neu Hinzukommenden freie Plätze zu erhalten. Die Kopfbedeckung wird an die rings im Lokal angebrachten Haken gehängt, auch darf keine laute Unterhaltung geführt und vor allem nicht geraucht werden. Diese Bestimmungen sind auf ein bis zwei Schildern im Lokale aufgehängt also lautend:
- »Kopfbedeckung ab!«
- »Keine laute Unterhaltung!«
- »Nicht rauchen!«
- »Nach dem Essen kein Aufenthalt!«
Die leeren Speisenäpfe und Löffel werden von den Hilfsfrauen behufs Reinigung zusammengetragen.
Im Lokal, meist in der Nähe der Markenverkaufsbude hängt eine Speisetafel, auf welcher die für den Tag zur Ausgabe kommenden Speisen verzeichnet sind. In Berlin sind selbige gedruckt und auf Holztäfelchen geklebt, welche in einen Rahmen geschoben werden mit der Aufschrift: »Heute Sonntag«, »Heute Montag« usw. Die Wände sind geschmückt mit sinnigen Sprüchen; vor den Fenstern hängen einfache Gardinen, auch hängt eine Bekanntmachung des Vorstandes aus, nach welcher im vorkommenden Falle die anwesenden Vorstands- und Ehrendamen oder in deren Abwesenheit die Wirtschafterin befugt sind, das Hausrecht auszuüben. Sobald Mittags um präzise 2 Uhr respektive abends 8 Uhr der Markenverkauf eingestellt ist, wird das Volksküchenlokal geschlossen und es beginnt die Eintragung der Marken, welche von den Ehrendamen eingenommen sind, ins Kontrollbuch, ebenso die Notierung derjenigen Marken, welche die Markenverkäuferin von dem Bestand übrig behalten hat. Die Abrechnung im Zentralbüro wird sofort nach Schluss der Küche besorgt.
Die Wirtschafterin ist für alle Vorkommnisse in der Küche verantwortlich, muss sich jedoch den Anordnungen der Vorsteherin unterordnen und steht unter deren, wie unter der Ehrendamen Kontrolle. — Sie öffnet und schließt die Küche, verlässt das Lokal nicht während der Arbeitszeit ohne besondere Erlaubnis der Vorsteherin. — Das Inventar und die Vorräte sind ihrer Obhut anvertraut. Sie berechnet täglich die Speisezutaten und bucht genau die Entnahme derselben; eine Kopie ihrer Kalkulation und des Resultates der Speisung sendet sie der Vorsteherin. — Sie darf keine Waren in Empfang nehmen, ohne dieselbe nachzuwiegen und nachzumessen, daher dürfen nie in der Speisezeit Lieferungen angenommen werden. Die Wirtschafterin darf in keiner Weise einen unerlaubten Vorteil aus der Küche ziehen, von Lieferanten weder für sich kaufen noch Geschenke annehmen. Knochen und Abfälle von Gemüsen und Kartoffeln, sowie Hundefutter dürfen nur an solche Händler im Interesse der Küche verkauft werden, welche die Vorsteherin respektive der Vorstand bestimmen.
Die Wirtschafterin hat das Hecht und die Pflicht, das ihr unterstellte Personal beim Verlassen der Küche zu kontrollieren, respektive zu revidieren. — Sie ist dagegen verpflichtet, alle zum Kochen bestimmten Zerealien und Zutaten der Köchin nach den für alle Küchen gleich bestimmen Kochrezepten vorzuwiegen und vorzumessen, und den Verbrauch sofort in das Wirtschaftsbuch einzutragen. Sowohl die Wirtschafterin als die Köchin sind für die Güte der Speisen gleich verantwortlich. Die letztere ist veranlasst, sich beim Vorstand zu beklagen, sobald ihr die Wirtschafterin Speisezutaten vorenthält. Die Köchin sorgt, dass Fleisch und Zuspeise [Beilage] rechtzeitig in den Kessel kommt und gehörig gar kocht sowie für gute Mischung, schmackhafte Zubereitung und das ausreichende Quantum. Sie schöpft selbst während der Verteilung das Essen aus den Kesseln in die Näpfe und darf nicht weniger geben, als vorgeschrieben, während die Wirtschafterin das Fleisch mit einer Gabel auf die Portionen legt, welches sie vor der Speisezeit, wenn es erkaltet, in gleichmäßige Stücke schneidet und auf große, blanke, verzinnte Schüsseln von Eisenblech legt. Das Fleisch, welches in den Berliner Volksküchen kalt auf das heiße Gemüse kommt, nimmt dessen Wärme an; wo es angeht, ist es saftiger, wenn es in heißer Brühe oder Sauce während der Verteilung liegt. Den Hilfsfrauen liegt die Reinigung des Lokals, das Aufwaschen des Geschirres, das Helfen beim Kessel, das Schälen der Kartoffeln und Putzen der Gemüse ob, doch dürfen sich von letzterer Arbeit auch Wirtschafterin und Köchin nicht freisprechen. Früh 6½ Uhr wird die Volksküche geöffnet. Die Leute schlafen nicht in dem Küchenlokal oder an dasselbe anschließend, wie es z.B. in Wien, Nürnberg und anderen Städten der Fall ist. Pünktlich muss das Personal versammelt sein, sofort an die Arbeit gehen, damit 10¾ Uhr das Essen fertig und das Lokal auf's Sauberste hergerichtet sei.
Nach Verkauf der Speisen werden Überreste sofort aus den Kesseln in Portionennäpfe geschüttet, gezählt, eingeschrieben und sorgfältig kalt gestellt. Auch die Fleischreste werden der Aufsichtsdame vorgezählt und eingeschrieben.
Die Kalkulation der Speisen muss sich streng nach dem einmal angenommenen, für alle Küchen gültigen Speisezettel richten.
Das Küchenpersonal darf nichts mit der Einnahme der für Speisen abgelieferten Marken zu tun haben, vielmehr werden diese von den regelmäßig die Verteilung überwachenden Damen eingenommen und dann der verantwortlichen besoldeten Markenverkäuferin zugezählt.
Die bestimmte Speisezeit muss festgehalten werden. Ist eine Speise angebrannt oder verdorben, so darf sie nicht dem Publikum gereicht werden. Über den Verbleib hat die Wirtschafterin der Vorsteherin Kenntnis zu geben.
In der Volksküche muss alles wirtschaftlich nutzbar werden, z.B.: Gemüseabfall, Kartoffelschalen als Futter, Knochen, zum Kochen von Seife, zum Verkauf nach Gewicht. Ferner ist sparsame Behandlung der Feuerung und der Gasflammen zu beachten.
Kessel und Kochgeschirr, sowie die Lokale müssen sehr sauber sofort nach der Speisezeit gereinigt werden.
Das Dienstpersonal muss stets sauber gekleidet gehen, trägt während der Speisezeit weiße Hauben und weiße Schürzen.