Hilfsbuch zur Gründung,

Leitung und Kontrolle von Volksküchen

Lina Morgenstern

Einrichtung einer Volksküche

1. Lokal

Das Küchenlokal muss groß, hell und trocken sein. Es besteht aus:

  1. einer zum Kesselherd geeigneten, mit angemessenem Rauchfang und genügender Ventilation versehenen Küche,
  2. hinreichend großen, den Zahlenverhältnissen der Arbeiterbevölkerung der Umgegend entsprechenden Speisesälen,
  3. Vorratskammern zu den trockenen Zerealien,
  4. Kellereien zu Kartoffeln und Gemüsen,
  5. Kellerei zur Feuerung.

Mieten eines Lokals zur Volksküche

Beim Aufsuchen eines Lokals zur Volksküche ist das Hauptaugenmerk auf die Schornsteinanlage zu richten. Am vorteilhaftesten sind Steigerohre; bei russischen Röhren ist darauf zu achten, dass eine genügende Anzahl vorhanden ist, damit nicht mehrere Kessel durch ein Rohr geheizt werden, es kann sonst sehr leicht für die Mieter der darüber liegenden Wohnungen zu großen Unzuträglichkeiten führen.

Neuerdings sind die gemauerten Kesselherde in den Berliner Volksküchen gänzlich abgeschafft und an deren Stelle die transportablen sogenannten »Mäntel-Kessel« eingeführt. Die Kessel sind aus starkem Kupfer, verzinnt, mit Sieb, Hahnrohr und Abflusshahn gearbeitet und hängen in dem sie umgebenden Feuerungsmantel. Die Kessel haben hermetisch verschließbare, verzinnte kupferne Deckel, die eine Gummipackung und Schrauben haben, mittelst derer der hermetische Verschluss erzielt wird. An dem Deckel sind außerdem angebracht: ein Wrasen- und ein Luftventil, sowie ein Ableitungsrohr für den Wrasen, durch welches dieser aus dem Kessel in die Feuerung geleitet wird. Vor dem Öffnen der Kessel muss der noch im Innern vorhandene Wrasen durch das Ventil abgeleitet werden. Das Aufziehen des stark gearbeiteten Deckels geschieht durch ein an der Decke angebrachtes Kontergewicht. Die Feuerung geschieht mittels Steinkohlen. Die Kesselumhüllung ist mit Schamotte ausgefüttert.

Wo nicht genügende Schornsteinanlagen sind, hat der Verein Gasheizung der Kessel eingeführt, was sich überhaupt als rationell empfiehlt. Bei der Gasheizung fällt die Kontrolle des Kohlenverbrauchs fort. Gasheizung erspart Zeit und ist bequemer und sauberer als jede andere Heizung.

Auf Dampfheizung mussten die Berliner Volksküchen bisher verzichten, da die Lokale oft gewechselt werden und die Anlage daher zu kostspielig wäre. Die Dampfkessel mit hermetischem Verschluss ersetzen die Dampfheizung einigermaßen. Der Preis eines solchen transportablen Kesselherdes stellt sich hier in Berlin inklusive des kupfernen Kessels von ca. 135 Pfund Gewicht mit Armatur auf 480 – 490 Mark. Der Preis einer kupfernen Wasserblase auf 130 Mark.

Die Speisesäle sind mit Tischen und Stühlen zu versehen. Ringsumher laufen an den Wänden Riegel zum Aufhängen der Kopfbedeckung. An der Eingangstür befindet sich ein Kiosk für die Markenverkäuferin. In Berlin sind besondere Speiseräume für Männer, besondere für Frauen. In Wien essen Männer, Frauen und Kinder zusammen.

Die Speisesäle sind von der Küche durch einen Anrichtetisch und das Buffet getrennt. Das letztere befindet sich vor einem großen, offenen, in die Küche führenden Fenster, dessen Gesims den Anrichtetisch begrenzt und durch welches den Ehrendamen, welche den freiwilligen Dienst am Buffet haben, von der Wirtschafterin die Speisenäpfe zur Verteilung gereicht werden. Der Buffettisch ist mit verschließbaren Schubladen versehen, in welche, durch mit Blech beschlagenen Öffnungen in der Tischplatte, die Damen die Marken werfen, welche gegen die Speisen ausgetauscht werden. Außerdem ist der Buffettisch, dessen Vorderwand, dem Publikum zugewendet, verdeckt ist, hohl und hat zwei Platten, so dass die Damen Vorrat an Brot, Löffeln, Messern und Gabeln unter ihrer Aufsicht, unterhalb der Tischplatte behalten können.

Für die Damen sowohl, als für das Küchenpersonal muss eine kleine verschließbare Garderobe sein, auch darf ein Schrank für die Küchenwäsche nicht fehlen.

Die Buffets stehen an der Feuerungswand oder in der Mitte, und zwar Gemüsekessel, Kartoffel- und Fleischkessel (je nach dem Konsum). Die transportablen Kessel mit Feuerungsmantel und hermetischem Verschluss sind mit Hähnen versehen, welche immer recht rein gehalten werden müssen, damit sich in das Sieb nicht Speisereste oder Grünspan setze. Die Kessel sind von Kupfer, verzinnt.

Außer diesen Kesseln ist eine Wasserblase von Kupfer anzubringen, um stets warmes Wasser zur Reinigung zu erhalten und eine kleine Kochmaschine mit Ringen zum beliebigen Einstellen von Töpfen und Kasserollen, sowohl zum Aufwärmen, zum Abrühren des Braunmehls, zum braten und dünsten von Fleisch, Fischen oder Eierspeisen, zum Kochen des Kaffees etc. für das Personal der Küche. In Wien hat man noch Brat- und Backöfen, auch ist nebenbei ein Grudeofen empfehlenswert.

Wasserleitungen dürfen in keiner Volksküche fehlen und zwar: eine in der Koche, eine am Aufwaschtisch und eine im Speiseraum.

2. Inventar

  1. Kupfer:
    • verzinnte Kessel,
    • Wasserblase.
  2. Messing:
    • Gewichte,
    • Mörser,
    • Kaffeemaschine.
  3. Eisen, Zinn, Zink, Blech etc.:
    • Brückenwaage mit Gewichten,
    • Tafelwaage,
    • Töpfe,
    • Deckel,
    • Brat-
    • und Eierkuchenpfannen,
    • Kaffeetöpfe,
    • verzinnte Fleischschüsseln,
    • Zinkwannen zum Bouillonabfüllen,
    • Zinkeimer,
    • Kohleneimer,
    • 1 Küchenlampe,
    • Waschbecken,
    • Fleischgabeln,
    • Tranchiermesser,
    • Fleisch-,
    • Putz-
    • und Schälmesser,
    • Tischmesser
    • und Gabeln,
    • Hackmesser,
    • Wiegemesser,
    • Blechlöffel,
    • Füllkellen, à 1 Liter und ⅘ Liter,
    • Bratenlöffel,
    • Schaumlöffel. Durchschläge,
    • Kartoffelsiebe,
    • Kaffeemühle,
    • Gewürzmühle,
    • Fleischhackmaschine,
    • 1 Gurken-
    • und 1 Gemüsehobel,
    • Beil,
    • Kohlenschippe,
    • Feuerschaufel,
    • Feuerhaken,
    • Laterne,
    • Müllschippe,
    • Gewürzkasten,
    • Maße (à Liter 2, 1, ½),
    • Kaffeebrenner.
  4. Holz:
    • große Zuber von Kernholz zum Kartoffelnwässern,
    • Holzeimer, Waschgefäße
    • und Spülwannen,
    • Fleischbretter,
    • Eimerbänke,
    • Küchenbretter,
    • Kellen,
    • Kartoffelquetsche,
    • Rührer zu den Kesseln,
    • Holzlöffel,
    • Quirle,
    • Litermaße, 50, 25, 10, 5,
    • Wandriegel.
  5. Möbel:
    • Tische,
    • Bänke,
    • Stühle,
    • Schemel,
    • Spiegel,
    • 1 Tafel zu den täglichen Speisezetteln,
    • Schreibzeug,
    • eine Uhr,
    • Kleiderhalter,
    • 1 Kassentisch,
    • 1 Garderoben-
    • und 1 Wäschespind,
    • 1 Eisschrank,
    • 1 Buffettisch,
    • 1 Anrichtetisch
    • und 1 Aufwaschtisch.
  6. Steingut, Ton und Glas:
    • weiße Speisenäpfe, à 1 Liter und à ⅘ und ½ Liter von Steingut,
    • flache
    • und tiefe Teller,
    • Wassergläser,
    • Krüge,
    • Pfeffer-
    • und Salznäpfe,
    • Essigflaschen,
    • Steinnäpfe
    • und Porzellaneimer,
    • Steintöpfe,
    • Kaffeekannen,
    • Milchtöpfe,
    • Becher
    • und Tassen.
  7. Bürsten:
    • Haarbesen,
    • Handfeger,
    • Schrubber,
    • Reisbesen,
    • Scheuerbürsten zu den Kesseln,
    • Bürsten zum Reinigen der Tische, der Kleider etc.
  8. Korbwaren:
    • Körbe zu 50 Liter, zu 25 Liter, zu 10 Liter,
    • Holzkorb,
    • Kohlenkörbe,
    • Brotkorb,
    • 1 Kiepe,
    • kleine Schalenkörbe zu den Kartoffeln,
    • Marktkorb.
  9. Wäsche:
    • Weiße und bunte Küchenschürzen,
    • Schürzen für die Wirtschafterin, die Köchin, die Hilfs- und Scheuerfrauen, sowie für die Ehrendamen;
    • Hauben
    • und Handtücher fürs Personal, sowie die Ehrendamen,
    • Küchenhandtücher zu Gläsern,
    • Näpfen,
    • Töpfen,
    • Wischtücher,
    • Topflappen,
    • Scheuerlappen.
  10. Wirtschafts- und Kontrollbücher.

Wirtschaftliche Winke

Auf folgendes ist zu achten, wenn die Volksküchenwirtschaft gedeihen soll:

  1. Es darf nur gutes Fleisch, gute Kartoffeln; gute Hülsenfrüchte kurz, alle Waren guter Qualität gekauft werden;
  2. Man achte, wie lange jede Art Fleisch notwendig habe, gar zu kochen;
  3. wie viel Salz und sonstige Zutaten zur notwendigen Würze gehören;
  4. Man schneide das Fleisch erst, wenn es erkaltet ist;
  5. Die Hülsenfrüchte müssen erst verlesen und im Wasser über Nacht vor Gebrauch geweicht werden;
  6. ebenso müssen die Kartoffeln sauber gewaschen werden, es schadet auch nicht, wenn sie einige Stunden wässern;
  7. das Quantum Wasser beim Kochen muss dem Maß und Gewicht der Speisezutaten entsprechen.
  8. Zu je 30 Zentner Steinkohlen sind zum Anzünden 1,50 Mark Brennholz oder für 1 Mark Schnellzünder notwendig. Mit diesem Quantum kommt man in Berlin in einer Volksküche etwa 4 Wochen aus.
  9. In den Volksküchen ist Grundsatz, nichts von den Stoffen und Materialien unbenutzt zu lassen.
    Der Abfall von Gemüsen, sowie die Kartoffelschalen werden als Futter verkauft, ebenso die ungenießbaren Abfälle des Fleisches und die Knochen.
  10. Will man übriggebliebene Speisen aufbewahren, so tue man sie weder in Holzgefäße noch in solche von Zinn oder Zink, sondern man fülle sie in vorher gut ausgekochte Steinnäpfe oder noch besser in die Speiseeimer von Steingut. Bewahrt man die Speisen in Eisspinden, so setze man sie erst dann hinein, wenn sie gehörig abgekühlt sind.
    Um Hülsenfrüchte leicht verdaulich zu machen, und weich zu kochen, nehme man eine kleine Quantität doppeltkohlensaures Natron zum Kochen. Selbst Ärzte empfehlen diese Maßregel.
  11. Wenn Rindertalg ausgelassen wird, vermische man es, wenn man es zerlässt mit etwas Milch, wodurch der Geschmack verbessert wird.
  12. Von Gemüsen, Hülsenfrüchten und Kartoffeln wird das Wasser, nachdem sie halb gar sind, vermittelst der an den Kesseln angebrachten Hähne abgegossen. Nach dieser Prozedur werden die Speisen erst mit Bouillon verkocht und die nötigen Gewürze wie auch Mehlschwitze daran getan. Die jetzt eingeführten präservierten [haltbar gemachten] Gemüse werden nach gegebener Vorschrift der Fabriken behandelt.
  13. Von der rechtzeitigen, guten und gleichmäßigen Mischung der Zutaten in den Speisen, sowie von dem Zeitmaß,des Kochens und der Quantität sowie der Qualität des Wassers hängt oft die Güte und der Wohlgeschmack der Speisen ab.
  14. Weiches, rein schmeckendes, durch Leitung filtriertes Wasser ist zum Kochen notwendig.
  15. Nie verdünne man die Gemüse durch Nachgießen von gewöhnlichem Wasser, da die Speisen an Geschmack und Nahrhaftigkeit verlieren würden, sondern mit Fleischbrühe oder Milch.