Auswärtige Volksküchen.
Ehe ich diese Geschichte der Berliner Volksküchen von 1866 schließe, möchte ich die Volksküchen in anderen Städten erwähnen, welche nach dem Muster derer in Berlin errichtet worden sind, so weit Kenntnis von ihnen zu uns gelangte und so weit wir den Begründern mit Rat und schriftlicher Auskunft zur Seite standen.
In Braunschweig errichtete der Verein für Volkswohl, an dessen Spitze Stadtrat Schöttler stand, eine Volksküche; Wirtschafterin und Köchinnen wurden nach Berlin geschickt und in unseren Anstalten angelernt.
In Bremen begründete, angeregt durch Herrn Prediger Schramm, der vaterländische Frauenverein eine Volksküche zu deren Beginn wir auf Wunsch eine Wirtschafterin hinschickten.
In Breslau wurden, vorbereitet durch einen von mir gehaltenen Vortrag, 1868 zwei Volksküchen errichtet, die der Verein, an dessen Spitze Frau Oberbürgermeister Hobrecht, Dr. Siegismund Asch, Frau Dr. Jenny Asch standen, im Laufe der Zeit eingehen ließ, da Breslau kein Bedürfnis solcher Speiseanstalten hatte. Länger hielt sich die Volksküche nach israelitischem Ritus, welche in Breslau ein besonderer Verein errichtete. Gegenwärtig besteht eine städtische Speiseanstalt in Breslau auf Anregung des Oberbürgermeister Bender und geleitet von Frau Oberbürgermeister Bender und Frau Dr. Jenny Asch, die sehr gut gehen soll.
In Bromberg ging die Initiative zur Errichtung einer Volksküche vom Regierungsrat Kost aus. In Burg wurde nach einem dort von mir gehaltenen Vortrag eine Volksküche vom Konsumverein errichtet. In Cassel wurde eine Volksküche 1885 vom Bezirksverein gegen Missbrauch geistiger Getränke, verbunden mit Kaffeeküche eröffnet. In Erfurt errichtete der Verein gegen Hausbettelei eine Volksküche. In Charlottenburg regte Herr von Ende die Errichtung einer Volksküche an, die schon früher einmal dort bestanden hatte. Der Vorstand des dortigen vaterländischen Frauenvereins machte den Versuch damit nur während der Wintermonate. Dagegen errichtete 1881 Herr Budel und Herr Luther eine Volksküche, unter dem Beistand des Herrn und der Frau Dr. Stolp.
In Giessen wurde auf Anregung des Prof. Bratuscheck eine Volksküche errichtet.
In Halle besteht seit 1875 eine vom Verein für Volkswohl errichtete Volksküche, deren Gründung Dr. Jacobsohn anregte. In Hanau existiert seit 1879 eine Volksküche.
Eine der musterhaftesten Volksküchen begründete Frau Dr. Henriette Salomon † geb. Goldschmidt in Hamburg mit einem Vorstand von 20 Damen und Herren 1869, nachdem sie sich genau von allen Einrichtungen informiert hatte. Sie bestand nur bis 1891, nachdem in Hamburg die Volkskaffeehallen durch Herrn Minlos errichtet worden waren. Die Mutter der Frau Dr. S. †, Frau Henr. Goldschmidt, hatte die Speisung armer Schulkinder durch die Volksküchen eingeführt.
In Karlsruhe ist die Begründung von Volksküchen nach dem Muster der Berliner im Badischen Frauenverein erfolgt, unter dem Protektorat I.H. die Großherzogin von Baden.
In Mannheim wurde am Geburtstag der Großherzogin von Baden am 3. Dezember 1888 eine Volksküche eröffnet.
In Königsberg in Preußen besteht ein Verein für Volksküchen, zu dessen Organisation Herr Polizeirat Jagielski † mit uns in Verbindung trat.
Die Volksküche in Lübeck, seit 1881 eröffnet, hat sich in der kurzen Zeit ihres Bestehens eine stets wachsende Teilnahme und allseitige Anerkennung bei der Bevölkerung zu erwerben verstanden. Von Herrn Minlos nach dem Muster der Berliner Volksküchen eingerichtet, wird dieselbe von einem Damenkomitee geleitet und überwacht, an dessen Spitze Fräulein Eschenburg steht.
In Leipzig besteht schon seit den sechziger Jahren eine Städtische Speiseanstalt, welche den Charakter einer Volksküche hat und um die sich Herr Hackel große Verdienste erwarb.
Im Januar 1881 herrschte so strenge Kälte, dass in Lauterburg und in Preußisch Holland heimkehrende Marktleute erfroren gefunden wurden, wie die Danziger Zeitung damals schrieb,. In jenem Jahre entstanden Notstandsküchen in verschiedenen Städten Westpreußens, wie Neuenburg, wo der vaterländische Frauenverein sie einrichtete: in Neufahrwasser, Strassburg, Thorn und Graudenz, wo die Armenkommission und der Magistrat die Notstandsküchen eröffneten.
Einen erstaunlichen schnellen Aufschwung und sehr geschickte Organisation nahmen die Magdeburger Volksküchen nach unserem Muster begründet 1889 von Frau Hermine Pilet. Im März jenes Jahres besuchte diese energische tüchtige Frau mit mir die Berliner Volksküchen und war von dieser Einrichtung so begeistert, dass sie sofort nach ihrer Rückkehr in die Heimat mit der Organisation dieses Werkes begann.
Auch in Posen und Neubrandenburg sind Volksküchen nach unserem Muster errichtet, für welche wir die Wirtschafterinnen ausbildeten.
Vorzüglich organisiert und von gutem Erfolge sind die Volksküchen in Nürnberg zu der die Stadtbehörde die Lokale frei hergibt.
Herren vom Stadtrat waren nach Berlin geschickt worden um sich bei uns vorher zu unterrichten.
Während des Notstands in Oberschlesien errichtete der Vaterländische Frauenverein mehr als 400 Massenspeiseanstalten, von denen die meisten die Speisen verschenkten.
In Rostock errichtete Bauinspektor Sanniter eine Volksküche nach dem Muster der unseren.
Die Anregung zur Begründung des Vereins der Stuttgarter Volksküchen wurde im Jahre 1871 vom »Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen« dort gegeben. Die gewünschte Gelegenheit bot die Gründung seines Zweigvereins für das Wohl der Fabrikarbeiterinnen. Zur Beherbergung der letzteren wurde ein eigenes Haus erbaut, für welches der erstgenannte Verein das Anlagekapital mit der Bedingung hergab, in dem Gebäude eine Volksküche anzulegen. Am 9. Juni 1874 wurde das Gebäude eingeweiht. Es befindet sich in der Ludwigstraße.
In Westfalen wurde während des Notstandes in allen Fabrikorten, von den Behörden in Dortmund ausgehend, Arbeiterküchen nach unserem Muster errichtet, die meist einen guten Fortgang haben.
In Tilsit brachten Bürger in dem strengen Winter 1881 Mittel zusammen, zur Errichtung einer Volksküche, für welche die Fabrikbesitzer Bruder und Jabs die Räumlichkeiten hergaben.
In München besteht seit einem Jahr eine öffentliche Speiseanstalt, nach dem Prinzip der Volksküchen.
Einen großen Aufschwung nahmen die Volksküchen in Österreich-Ungarn. In Czernowitz wurde 1874 eine Volksküche errichtet.
Der Verein der Volksküchen in Graz besteht seit 1868.
In Prag bestehen zwei Vereine der Volksküchen, der eine für die Alt- und Josephstadt, Verein der Volksküchen, Tee- und Suppenanstalten für Prag und seine Vororte.
Brünn und Olmütz haben gleichfalls Volksküchen mit gutem Erfolge.
In Wien begründete Gemeinderat Dr. Kühn den ersten Wiener Volksküchenverein 1872 und errichtete die erste Volksküche 1873 unter Beistand der Frau Cäcilie Adler, welche alle Informationen von dem Verein der Berliner Volksküchen erhielt. Hochherzige Vorsteherinnen und Ehrendamen trugen dazu bei, dass die von dem Ersten Wiener Volksküchenverein unterhaltenen 5 Volksküchen einen ausgezeichneten Fortgang haben, so die Leopoldstädtische Volksküche, Begründerin war Frau Helene Oettl. Auch bestehen in Wien mehrere Vereine für Volksküchen.
Der Landstraßen-Volksküchenverein unter Protektorat der Erzherzogin Maria Theresia, der Volksküchenverein im Vorort Meierling, auf Anregung des Fräulein von Miller-Aichholtz, der Volksküchenverein im Vorort Suchshaus, welcher die Mittel zur Errichtung seiner Volksküche aus dem Reinertrag eines Wohltätigkeitsbasars erhielt. Der Verein zur Errichtung von Volksküchen nach israelitischem Ritus, begründet durch Frau Julie Schlesinger. Der verdienstvolle Pester israelitische Frauenverein, der ein Waisenhaus und ein Asyl für erwachsene Waisen errichtet hat, begründete unter dem Vorsitz der durch ihre Wohltätigkeit berühmten Frau Johanne Bischitz † im Jahre 1870 eine Volksküche, die ihr eigenes Haus besitzt.
Über die in Belgien und Holland errichteten Volksküchen fehlt jeder Bericht. In Amsterdam, Antwerpen und Haag sollen die Volksküchen Vortreffliches leisten. — Viel verbreitet sind die Volksküchen in Russland, wo sie in Moskau, Petersburg, Riga, Warschau und anderen Städten gut organisiert und volkstümlich geworden sind.
Weitere Berichte fehlen.
Nach einem Vortrag, den ich 1899 auf dem internationalen Frauenkongress in London verlesen ließ, da ich selbst verhindert war dem Kongress beizuwohnen, sollen Volksküchen in England und Amerika errichtet werden.
Es wäre erwünscht, wenn die Vorsteher sämtlicher Volksküchen und Speiseanstalten für größere Massen zu einem internationalen Kongress zusammenkämen, um sich ihre Erfahrungen mitzuteilen und bei der so großen Wichtigkeit des Gegenstandes, über eine rationelle, gesunde Massenernährung die Meinungen auszutauschen und bestimmte Grundsätze erfahrungsgemäß und wissenschaftlich festzusetzen.
Nur durch vereinte Kraft aller Mithelfenden gedieh dies Werk! So sei der innigste Dank gebracht — denen, die vor uns heimgingen — und denen, die unter uns weilen. Sie alle haben beigetragen, dass unzählige Männer und Frauen sich selbst zu erhalten vermochten, dass ungezählte Tränen gestillt, unsagbar viel Leid gemildert, viele tausende und abermals tausende von der Qual des Hungerns in der Weltstadt befreit wurden, ja, sie alle haben dieser Stadt, sie alle haben der Menschlichkeit gedient! Den Männern Dank, die unseren Verein nach außen vertreten und nach innen geschäftlich geleitet; den Frauen Dank, welche in persönlicher Tüchtigkeit und Aufopferung gezeigt, was Frauenwille auf dem Gebiete wirtschaftlicher und sozialer Hilfe für Volkswohl zu leisten vermag! Mögen sie auch ferner nicht erlahmen! Möge die Arbeit in der Gemeinsamkeit, die wir vollbringen, auch nach unserem dereinstigem Scheiden stets willige Hände und Herzen finden, uns neue Mithelferinnen werben, auf dass unsere Volksküchen die Stürme der Zeit überdauern und auch ferner der Ausspruch sich bewahrheitet, den einst Carl Heinitz tat:
Das Werk, das nur unscheinbar und im Stillen
Begonnen ward in einer ernsten
Zeit,
Das weiter wir geführt mit festem Willen,
Für Tausende ein Segen ist es heut!
Das schöne Ziel, wir sollten es erreichen,
Obwohl uns höhnten Neid und Unverstand.
Was hier geschaffen, ist ein sichtbar Zeichen,
Das edle Streben schützet Gottes Hand!