Das ABC der Kochkunst
I. Kochen, Dämpfen, Braten und Backen.
Die Grundlage des Kochens besteht in der Beherrschung des Feuers und in dem Verständnis der feinen Unterschiede von Kochen, Braten und Backen und welche Beweggründe bei diesen drei verschiedenen Arten der Herstellung beobachtete werden müssen.
Wasser und Fett sind die beiden Elemente, die ganz entgegengesetzt in ihrer Wirkung auf die Speisen auftreten. Beide nehmen einen verschiedenen Hitzegrad an. Das Wasser wirkt erweichend und auflösend, das Fett, die Butter, das Öl zusammenziehend und von außen erhärtend, jenes bleicht die Farbe der Stoffe, dieses färbt dunkel; durch Kochen im Wasser wird der Saft oder Extrakt herausgezogen, durch Backen bildet sich eine Kruste, unter welcher die Speisen vollsaftig bleiben. Gekochte Speisen sind leicht dem Verderben und der Gärung ausgesetzt und verlieren schnell ihr Ansehen, gebackene erhalten eine schöne dauernde Form, man kann sie mehrfach verwenden, sie halten sich lange.
Das Kochen nimmt meist mehr Zeit in Anspruch, als das Braten und Backen.
Worauf beruht dieser Unterschied?
Das Wasser nimmt nicht so schnell und intensiv den höchsten Hitzegrad an, als das Fett. Man tauche den Finger in kochendes Wasser, der Schmerz ist heftig, aber lange nicht so unerträglich, als man ihn in kochendes Fett bringt.
Das Kochen geschieht allmählich, indem man das Wasser in immer höheren Hitzegrad auf die Speisen wirken lässt. Je siedender das Fett ist, je plötzlicher es auf den Gegenstand eindringt, den man darin backen oder braten will, desto schneller bildet sich die schützende Hülle, die Kruste, unter deren brauner Rinde das Innere der Speisen locker, saftig und wohlschmeckend bleibt. Man verfahre daher beim Backen auf offenem Feuer folgendermaßen: Das Feuer muss hell und lebhaft fein, wenn das Fett zum schnellen Sieden gebracht wird. Wirft man eine Brotrinde hinein, die in 5 bis 6 Gefunden sich gleichmäßig bräunt, oder lässt man einen Tropfen kalten Wassers in das Fett träufeln, der in Dampf verwandelt, schnelles Aufzischen verursacht, so ist der gehörige Hitzegrad erreicht und man legt die zu backenden Gegenstände hinein. Sobald dies geschehen, mäßige man das Feuer oder den Einfluss desselben und achte genau auf die Zeitdauer. Bleibt die zu backende Speise zu lange auf lebhaften Feuer, so wird sie durch und durch hart.
Das Gefäß muss groß genug sein, damit die Gegenstände sich nicht berühren und beim Backen bequem umgewendet werden können. Das Fett muss so reichlich sein, dass die Speisen darin schwimmen, aber dem Gefäß angemessen, um nicht bei Sieden herauszuquillen.
Man darf den reichlichen Gebrauch des Fettes durchaus nicht als Verschwendung betrachten, denn dasselbe lässt sich immer wieder verwenden.Man gießt es in ein Gefäß mit heißem Wasser. Ist das letztere kalt geworden, so bleibt das reine Fett auf der Oberfläche, während die Krümchen und Speisereste niedersinken. Man nimmt das erhärtete Fett ab, es hält sich sehr lange Zeit und kann immer wieder verwendet werden. Nimmt man jedoch zu wenig Fett in die Kasserolle, so verkohlen die Speisen und man hat in Wahrheit verschwendet.
Gebackene Gegenstände, auf obige Art hergestellt, bringt man auf ein Löschpapier oder heißes Tuch zur Entfettung. Man darf sie jedoch nicht, um sie warm zu halten, in den Ofen stellen, da die Kruste sonst weich wird.
Derselbe Grundsatz, wie beim Backen, herrscht beim Braten, welches in geschlossenem Ofen geschieht, so dass die Oberhitze mitwirkt. Auch hier gilt es durch Abschrecken in kochendem Fett oder in kochendem Wasser, so schnell als möglich das Gerinnen des Eiweiß an der Oberfläche zu veranlassen und eine bräunliche Rinde zu erzeugen, die den inneren Saft zusammenhält.
Bei der reinsten und anschaulichsten Form des Eiweiß im natürlichen Ei kann man sich am besten überzeugen, wie die Hitze auf das Gerinnen und Erhärten einwirkt. Man stelle sich nur ein weichgekochtes und hartgekochtes Ei vor. Dasselbe Eiweiß ist in jedem Fleisch, in der Milch, in Hülsenfrüchten, in unseren Getreidekörnen, nur in verschiedenem Grade, enthalten, worüber wir später sprechen wollen.
Braten wir das Fleisch, so müssen wir darauf sehen, dass dies bei vorher erzeugter Oberhitze und fortdauernd mäßigem Feuer geschieht, damit das Eiweiß nur an der Oberfläche geronnen sei, nicht auch im Innern, wodurch das Stück zähe und hart würde. Niemals wende man, um das Garsein zu prüfen, eine Gabel an, da durch das Hineinstechen der Saft herausquillen würde, es gäbe dies eine kräftige Brühe und einen schlechten Braten. Noch auf einen Punkt achte man. Man brate nicht erst die eine und dann die andere Seiten an; man begieße den Braten nur mit siedendem Fett, nie mit hinzugefügter Fleischbrühe oder mit Wasser oder saurer Sahne, weil sonst die Rinde weich wird. Diese Zutaten müssen direkt in die Sauce kommen. Sehr viel zum Gelingen des Bratens trägt die Zeitdauer bei. Es kommt darauf an, ob ein Tier alt oder jung geschlachtet, mager oder fett ist, ob es bei warmem oder kaltem Wetter gebraten wird. Es kommt auf die verschiedenen Teile des Fleisches von einem und demselben Tiere an, ferner, ob die Fleischtaler dicht oder locker ist. Je dichter die Faser, desto länger wird ein Gegenstand braten, dämpfen oder kochen müssen.
Bei Geflügel fehlt man am meisten, weil man nicht berechnet, dass es hohl ist, und die Fleischschicht nur dünn die Knochen bedeckt, weshalb es nur sehr kurze Zeit zum Garwerden bedarf. Am sorgfältigsten muss daher kleines Geflügel und Wildbraten behandelt werden. Letzterer, weil das Wild, z.B. Hasen, meist trockenes Fleisch haben und durch zu langes Braten geschmacklos und zähe werden. Aus demselben Grunde umbindet man kleines Geflügel oder trockenes Fleisch mit Speckstreifen.
Die beiden Hauptfragen in der Kochkunst sind: Auf welche Weise ist bei den Speisen der Wohlgeschmack und der Saft zu erhalten? Auf welche andere Weise beide denselben auf rationelle Art zu entziehen, so dass dort die Stoffe in einer massigen Form verbleiben, hier der Extrakt der Stoffe in eine Flüssigkeit hinübergeführt wird, welcher sie mit Mischung anderer Stoffe in allen Teilen durchdringt.
Wir wollen diese Fragen mit einem Beispiel beantworten. Zu einem Mittagsmahl soll ein Eingangsgericht eine gute Fleischbrühe, als Hauptgericht ein Braten gegeben werden. Wir können dies nicht durch ein und dasselbe Stück Fleisch erreichen und sei es selbst das beste. Die Brühe erfordert nämlich das Harausziehen sämtlichen Saftes aus dem Fleisch, der Braten das Zusammenhalten und Durchdrungensein des Fleisches von feinem Safte. Das zur Brühe benutzte Fleisch enthält nach vollkommener Ausnutzung nur noch Fasern und Zellengewebe und ist für den Magen nur belästigende Füllung, das zum Braten bestimmte Fleisch soll alle Nährstoffe behalten und ist dann ein vorzügliches Nährmittel. Es leuchtet aus dem Gesagtem ein, dass man, wie es so Viele tun, dasselbe Fleisch nicht zur Brühe und als Braten zugleich benutzen kann, wenigstens darf man kann nicht erwarten, dass die Brühe und das Fleisch beide von bester Güte sind.
Es setzt dies voraus, dass das Fleisch zur Brühe anders zubereitet werden muss, als da, wo es selbst Hauptspeise ist. Will man nämlich das letztere, so muss man darauf sehen, dass das im Fleisch enthaltene Eiweiß sofort an der Oberfläche gerinne, während, wenn man Saft und Wohlgeschmack des Fleisches in die Suppe hineinziehen will, man dieses Gerinnen verhindern muss.
Man wird daher das zur Suppe bestimmte Fleisch mit kaltem Wasser aufsetzen und zwar in nicht zu große Stücke, so langsam als möglich zum Kochen bringen, den sich an der Oberfläche bildenden Schaum von Eiweißflocken nicht abschöpfen, etwas Salz und die beliebten Suppenwurzeln hinzufügen und das Fleisch so vollständig auskochen, dass es ganz saftlos erscheint, während alle nahrhaften Säfte auf die Brühe übergegangen sind; dann erst wird die Fleischbrühe, der wir noch Einlagen von Eierspeisen, Fleischfarce, Mehlfrüchten oder Gemüse geben, eines der besten und anregendsten Genuss- und Nahrungsmittel.
Das Fleisch dagegen, welches wir dämpfen wollen, stellen wir mit kochendem Wasser auf, so dass das Sieden durch das Hineinlegen auf kurze Zeit unterbrochen wird, lassen es wieder den Siedepunkt erreichen und stellen es alsdann soweit vom Feuer, dass das Wasser sich bis zur lauen Wärme abkühlt, dann erst bringen wir das Gefäß wieder ans Feuer, um dass Fleisch langsam im fest verschlossenen Topf sieden zu lassen, bis es weich ist, was je nach der Größe des Stückes erreicht wird. Wir sprechen hier nicht von dem weiteren Hinzufügen, um eine schmackhafte Sauce zu erhalten, oder dem Fleisch einen angenehmen Beigeschmack zu geben; wir wollten nur zeigen, auf welche Weise wir ein saftreiches Stück Fleisch durch Dämpfen oder Schmoren erhalten.
Warum aber stellen wir das Fleisch mit heißem Wasser auf? Damit das Eiweiß an der Oberfläche gerinne und das Herausträufeln des Saftes verhindert wird. Wollte man das Wasser weiter schnell und fortwährend kochen lassen, so würde das ganz im Fleisch enthaltene Eiweiß gerinnen und das Stück zäh werden. Indem man das Wasser abkühlen lässt, bleibt unter der geronnenen Schicht der volle Saft im Fleisch, es bleibt weich und wohlschmeckend.
Dieser hier bewiesenen Grundsatz tritt bei kleinen Fleischstücken noch auffallender in die Erscheinung; wo es gilt, unter der gebratenen Oberfläche ein recht saftiges und weiches Fleisch zu erhalten, da sehe man darauf, dass das Fett siedet und zischt, ehe man z.B. das Beefsteak bei raschem Feuer hineinlegt, damit es auf beiden Seiten schnell einen gebräunten Überzug erhält, wobei man sich dem Umwenden keiner Gabel darf, um das Herausquellen des Saftes zu verhindern. Dann zieht man es vom Feuer fort und lässt es einige Minuten ziehen.
Aus allen diesen Regeln geht hervor, dass eine Köchin denkend und intelligent sein muss und dass das Studium und die Nutzanwendung der Erfahrung eine wesentliche Grundlage der Kochkunst ist.