Gesunde Ernährung für alle Altersstufen
Von der Ernährung des Menschen hängt Gesundheit und Wohlbehagen ab, darum müssen wir derselben von der Geburt des Kindes an die größte Sorgfalt zuwenden.
Im Kindesalter, wo alle Organe sich erst entwickeln und die Umwandlung der nährenden Speisebestandteile in das Blut weit schneller vor sich geht, als bei Erwachsenen, ist die Zuführung angemessener und nahrhafter Speisen wichtiger als in jedem ferneren Lebensalter.
Die ungenügende Ernährung eines Kindes ist gleichbedeutend mit der langsamen Zerstörung seiner Gesundheit und da von dieser auch die Entwicklung geistiger Fähigkeiten abhängt, so ist sie das sicherste Mittel Kinder körperlich und geistig schwach zu machen, ja sie selbst einem frühen Tode zuzuführen.
Vor allem ist der Grundgedanke der Natur festzuhalten. Diese bereitete dem Neugeborenen in der Mutterbrust die erste Nahrung vor. Daher ist die Milch der wertvollste Nährstoff für Kinder und sei unbedingt in den ersten Monaten ihre einzige Nahrung.
Wo jedoch die Muttermilch dem Kind durch Krankheit der Mutter oder durch andere wichtige Gründe entzogen worden ist und man keinen Ersatz in einer Nährmutter, Amme, findet, ist das künstliche Aufziehen des Säuglings wieder nur mit tierischer Milch zu empfehlen, doch sind Bedingungen:
- Die Milch sei von einer gesunden Kuh.
- Sie ist rein und unverfälscht.
- Man gebe ihr den notwendigen Zusatz von Wasser und Milchzucker, um sie der Frauenmilch ähnlich zu machen und gehe allmählich erst zu reiner Milch über.
- Man gebe sie der Temperatur des normalen Blutes entsprechend. Man halte auf Sauberkeit der Gefäße und Auswaschen des Mundes. Man achte auf den Flaschen-Saug-Apparat, dass die Milch nicht zu schnell und nicht zu langsam von dem Säugling aufgenommen werde, im ersteren Fall kommt sie in zu großen Käseflocken in den Magen, im zweiten ermüdet das Kind und trinkt zu wenig.
Als Zusätze statt des Wasser koche man Gerstenwasser (von roher Gerste), oder wenn das Kind an Diarrhöen leidet, Graupen- und Haferschleim, doch sehe man wohl darauf, dass weder die Milch noch der Schleim auch nur den geringsten Grad von Übergang in Säure haben. Als besten Zusatz zur Milch für Säuglinge ist Nestles Kindermehl zu empfehlen. Im 8. Monat erhalte das Kind ganz reine Milch, im 10. Monat beginne man mit breiartigen Suppen: Zwieback mit Milch, Kraftgrieß mit Milch, Hafermehlsuppen; man kann auch das Geschabte eines gebratenen Borsdorfer Apfels geben.
Das Süppchen kann mit dem Dotter eines Eies abgezogen werden. 2 Liter Milch pro Tag rechne man für das Kind, das nur Milch trinkt. Vom ersten Jahr an gebe man dem Kind des Morgens Milch mit Zwieback, zum zweiten Frühstück ein weiches Ei mit Weißbrot, zum Mittag eine Milchsuppe mit gut aufgequollenem Arrowroot, Reis, Grieß, Bohnen-, Erbsen- oder Linsenmehl eine Hafer- oder Graupenschleimsuppe mit geröstetem, geriebenem Zwieback; von Gemüsen: etwas mit Milch zerquetschte Kartoffeln, Spinat, Mohrrüben, als Kompott täglich Apfelmus. Zur Vesper: Milch mit Zwieback. Zum Abendbrot: Eine Suppe. Des Morgens verdauen Kinder am leichteste, des Abends am schwersten.
Fleischbrühe gebe man in diesem Alter nur schwächlichen Kindern.
Kinder von 2 – 4 Jahren erhalten außer der Milch gutes Brot, Brei von allen mehligen Körnerfrüchten: Weizen-, Roggen- und Hafermehl, Weizen- und Reisgrieß, Gerstengraupe, Hafergrütze, Maisbrei, Buchweizengrütze, dieselben Nahrungsmittel können auch in Suppen gereicht werden. Brei von mehligen Kartoffeln, Brei von gut enthülsten Hülsenfrüchten; von Gemüsen: Spinat, Mohrrüben, Spargel, Blumenkohl; von tierischer Nahrung besonders Eier, weich gekocht, in die Suppe geschlagen mit etwas Zucker.
Von Früchten alle leichten Arten: Äpfel vorzüglich; man sehe darauf, dass die Kinder weder Kerne noch Schalen verschlingen und dass an dem Obst keine Maden seien.
Als Getränk gutes, kaltes Wasser, gute, reine Milch, entölter Kakao oder Racahout mit halb Milch, halb Wasser und etwas Zucker.
Kinder von 4 – 6 Jahren können zu der obigen Nahrung Butterbrot oder Buttersemmel hinzugefügt erhalten. Wo Fleischnahrung gewünscht wird, kann man Fleischbrühe schon vom ersten Jahre an beginnen, jedoch ohne Gewürz und mit sehr wenig Wurzelwerk. Das Fleisch gebe man dem Kind nur gedünstet oder gebraten und sehr zerkleinert, ohne fette Saucen, niemals ausgekochtes Suppenfleisch, wodurch man nur seinen Magen belästigt, ohne das Kind zu nähren.
Ein Kind von 4 – 6 Jahren, das alle Zähne hat, wird an die Speisen gewöhnt, die man unter 6raquo;Hausmannskost« versteht, d.h. an eine einfache, kräftige Mischung der Speisen, doch gebe man sehr wenig Salz, wenig Fett, wenig Gewürz und halte auf die größte Regelmäßigkeit, keine Näschereien als Zwischenmahlzeiten. Viel Gemüse und Kompott
Kinder und junge Leute, welche sich gewöhnen, Milch statt Tee oder starken Kaffee zu trinken, erstarken mehr und sind gesünder. Der Genuss von Kakao und Schokolade ist sehr empfehlenswert, nur nicht zu stark bereitet. Tee und Kaffee, mäßig genossen und letzteren ohne schädigende Zusätze, sind durchaus nicht schädlich, doch für leicht erregbare Naturen, besonders solche, deren Herztätigkeit eine erhöhte ist, entschieden zu verwerfen.
Im Alter von 12 – 18 Jahren ist sowohl bei Jungfrauen als Jünglingen sehr viel Sorgfalt auf die Zubereitung und die Mischung der Speisen zu verwenden. Es ist die Zeit schnellen Wachstums und auffallender Veränderungen; daher sind viele Krankheiten durch angemessene Diät zu vermeiden.
Bei Mädchen tritt leicht Appetitlosigkeit ein, oder sie verfallen auf den Genuss [im Buch steht: Guß] von Dingen, die gar nicht zum Essenbestimmt sind, wie Kauen an Bleistiften, Kreide, Papier, alle solche Kleinigkeiten müssen streng beobachtet und verboten werden. Knaben wollen Zigarren rauchen und beginnen unmäßig Bier zu trinken, was ihnen unbedingt schädlich ist, die Begierde weckt und ihnen Kraft entzieht.
Bewegung in freier Luft, tägliche kalte Waschungen, warme und kalte Bäder, Turnen, Schwimmen muss gefördert werden. Die Nahrung muss vorzugsweise blut- und muskelbildend sein. Die anstrengende geistige Arbeit der Kinder beim Lernen muss durch kräftige Ernährung und angemessene Bewegung im Freien ausgeglichen werden.
Nicht ohne Einfluss auf die Diät ist die Jahreszeit; im Winter bedarf der Mensch mehr wärmebildender Speisen als im Sommer. Mit Gewürzen gehe man bei den Speisen überhaupt, vorzugsweise bei denen für die Jugend, sparsam um, damit man den Magen nicht zu früh an Reize gewöhne, die ihn leicht abstumpfen; an Salz gebrauchen junge Leute pro Tag etwa 18 – 20 g. Der Genuss aller alkoholartigen Getränke wirkt schädlich auf die Jugend, weil sie den Vorgang des Stoffwechsels verzögern; nur bei besonderen Schwächezuständen, wenn es der Arzt verordnet, gebe man ein bestimmtes Quantum Wein oder Bier, niemals Branntwein.
Dagegen ist es sehr wichtig zur Unterstützung der Verdauung täglich ein bestimmtes Quantum Wasser zu sich zu nehmen; teilweise wird es ja schon in Tee, Kaffee, Suppen und allen flüssigen Speisen gebraucht.
Sehr ungesund ist es, die Speisen zu schnell und zu heiß zu genießen. Die Erziehenden haben ihre Aufmerksamkeit daher der Art und Weise zuzuwenden, wie das heranwachsende Kind die Speisen zu sich nehme; sie haben auf die richtige Temperatur des Essens zu achten und darauf zu sehen, dass das Kind sich gewöhne, die Speisen gut zu zerkauen und sie mit Ruhe zu genießen.
Da die regelmäßige und angemessene Ernährung zur Kräftigung nicht nur des Körpers, sondern auch des Geistes beiträgt, so muss der Auswahl der Speisen eine große Sorgfalt zugewendet werden und sobald man eine Erschlaffung und Appetitlosigkeit oder einen unnatürlichen Heißhunger bemerkt, wird man die Diät ändern müssen.
Schwer- und unverdauliche Speisen sind streng zu vermeiden, wie heißes Brot, heißer Kuchen, unreifes Obst, Mixed-Pickles, scharfe Gewürze, zu fettes Fleisch und so weiter.
Was die Tageszeiten anbelangt, so ist es nicht gut, gleich beim Frühstück den Magen zu überladen, daher gebe man zu demselben eine einfache Speise, etwa Milch und Weißbrot, oder Tee, Kaffee oder Kakao und Weißbrot.
Bei gesunden Kindern bestehe das zweite Frühstück aus Butterbrot und Obst, bei kränklichen aus Eiern, Milch und Brot.
Die Mittagsmahlzeit sei reichlich und bestehe in den einfachsten Verhältnissen aus: in Fleischbrühe gekochtem Gemüse, Kartoffeln und Fleisch mit etwas Brot; in besseren Verhältnissen gehe eine gute Suppe dem Fleisch mit Gemüse voran, wo man es aber anzuwenden vermag, füge man eine Mehlspeise und gedünstetes Obst zu, immer sei ein Imbiss von Brot und ein Trunk frischen Wassers dabei zu empfehlen.
Man wechsle auch zuweilen ab und gebe statt des Fleisches Fische. In der Zwischenzeit von Mittag zum Abend reicht ein Getränk, wie Kaffee oder Milch oder Obst und Weißbrot hin, das Bedürfnis zu befriedigen.
Das Abendessen, das aus leicht verdaulichen Speisen bestehe, werde mindestens zwei Stunden vor dem Schlafengehen eingenommen. Bei ungewöhnlichen Anstrengungen ist auch eine kräftigere Kost erforderlich.
Jünglinge von !6 Jahren und erwachsene Männer bedürfen pro Tag ungefähr 3 kg gute Nahrung, junge Mädchen und Frauen ungefähr 2 kg. Für Erwachsene füge ich keine Regeln der Diät bei, da der gesunde Mensch, der sich an Mäßigkeit gewöhnt, das ihm Zusagende mit den gegebenen Verhältnissen in Einklang zu bringen suchen muss. Dagegen wird die Diät für einzelne Krankheitsfälle noch weiterhin besprochen.