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Coppi Arbeitsgruppe für angewandte Technologie in der 3. Welt e.V.
RAG

Ein Radio für CALUSA

Reisebericht Südafrika März/April 1996

Von Mitte März bis Mitte April 1996 fuhr ein Team von Coppi e.V. (Arbeitsgruppe für angewandte Technologie in der 3.Welt) nach Südafrika.

Coppi, 1983 in Westberlin gegründet, realisiert mit Gruppen in der sogenannten Dritten Welt Projekte im Bereich der Kommunikationstechnik. Das Team baute in der Region Transkei mit der Cala University Students Association (CALUSA) ein Communuity Radio auf. CALUSA ist aus der radikalen Jugend Calas während der Soiweto- Unruhen hervorgegangen. CALUSA unterstützt desweiteren das Children's Radio in Kapstadt.

Wir reisten hauptsächlich in den Kapprovinzen rum und machten noch einen kurzen Abstecher nach Durban an den indischen Ozean. Diese Großstadt liegt in der Provinz KwaZulu/Natal. Diese Provinz unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von den Kapregionen. Das erste, welches uns aufgefallen ist, war das subtropische Klima und die Vegetation; Palmen, Bananen, Ananas, Avocados, Zuckerrohr und andere abgefahrene Pflanzen.

Die Bevölkerungszusammensetzung wird noch ergänzt durch eine sehr große Volksgruppe, die aus Indien stammt. In der Kapregion fehlt dieser Bevölkerungsanteil.

Durban, eine Großstadt am indischen Ozean, mit kilometerlangen weißen Stränden, ist eine interessante Stadt. Überlagert wird der positive Eindruck von den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen ANC und der Inkatha. Am Osterwochende sind in der Provinz KwaZulu/Natal 108 Menschen Opfer politisch motivierter Gewalt geworden. Nach unseren Informationen herrscht in KwaZulu/Natal Bürgerkrieg, wie vor dem Wahlsieg des ANC im April 1994. Diese Gewalt wird immer wieder durch die konservative Inkatha unter Führung von Mangosuto Buthelezi eskaliert.

Woman in Cala Neben dem kurzen Abstecher zum Indischen Ozean verbrachten wir längere Zeit in der Transkei, einer ländlichen Region in der östlichen Kapprovinz. Dort wurde durch uns in der Stadt Cala das Vukani Community Radio aufgebaut. Cala ist eine kleine isolierte Stadt, auf einer Hochebene 1100 Meter hoch gelegen, umgeben von ländlichen Siedlungen und ohne Kommunikationsstruktur. Calusa, gegründet 1983, veranstaltet dort Alphabetisierungskurse, richtet während der Semesterferien eine Sommeruniversität ein und macht Seminare für BewohnerInnen von Sqatter Camps ("illegale" Wohnsiedlungen), um sie in die Lage zu versetzen, ihre eigenen Interessen zu organisieren und macht sie fit für die neue Bürokratie mit der sie jetzt zu tun haben (Anträge schreiben, Formulare ausfüllen, etc.).

In und mit dieser Organsation sind sehr viele Frauen aktiv, auf allen Diskussionen ist die Gender Question (Geschlechterverhältnis) ein fester Bestandteil. Dieser Umstand ist uns auch an anderer Stelle, in Kapstadt beim Kinder Radio aufgefallen.

Die Lebensumstände in dieser ländlichen Region unterscheiden sich stark von denen in der Stadt, wobei jede Stadt wieder anders ist. Es gibt in dieser Region in der Transkei keine geteerten Straßen, viele Häuser sind ärmlich, Wasser gibt es nicht regelmäßig, Strom fällt noch häufig aus. Anmerkung: Das Radio läuft dann selbstverständlich weiter!

Der Zusammenhalt der Menschen ist sehr groß, trotz der harten Existenzbedingungen ist die Stimmung entspannt.

Der Abschied ist uns schwer gefallen. Nach der offiziellen Radioeröffnung fuhren wir nach Kapstadt zurück.

Kapstadt, eine Großstadt mit starkem europäischem Einfluß, liegt wunderschön am Kap der guten Hoffnung, umgeben von Bergen und Stränden. Es wird im Winter nie so kalt, wie bei uns. Zwölf Grad Celsius ist schon richtig kalt und der Sommer ist durch den kühlenden Atlantikwind erträglich. Das soziale Klima in der Stadt ist relaxed und für südafrikanische Verhältnisse sehr tolerant.

In Kapstadt hatten wir mehrere Treffen mit dem Kinder Radio, einem kleinen UKW-Radio von Kindern für Kinder im Township Kayelitsha.

Dort, in diesem Kapstädter Township treffen erste Welt und dritte Welt hart aufeinander. Unter einer Olympia Werbung, Kapstadt will 2004 Olympia haben, ist eine Siedlung aus Wellblechbuden, in einigen Teilen Kayelitshas liegen Müllberge an der Straße, in denen Kinder spielen. Die Stadtverwaltung weigert sich, sie wegzuräumen, "da dort sonst wieder nur Häuser gebaut würden". Welch ein Zynismus!

Die Mehrheit der Armen ist immer noch schwarz, die Gesellschaft kennt kein soziales Sicherungssystem wie in Europa, es gibt immense Einkommensunterschiede.

Die soziale, ökonomische und gesellschaftliche Lage in Südafrika ist sehr gespannt. Mit dem Wahlsieg des ANC 1994 und der Wahl Nelson Mandelas zum Staatspräsidenten war ein historischer Schritt in der Geschichte des südlichen Afrikas getan. Es wird endlich versucht, daß alle Bevölkerungsteile Südafrikas ohne staatlich dekretierten Rassismus miteinander leben. Für die große Mehrzahl der Bevölkerung ist dies die wichtigste Veränderung. Der offenen praktizierte Rassismus, genannt Apartheid ist endgültig zuende. Die Stimmung ist einerseits sehr entspannt, andererseits plagen die Menschen goße Nöte.

Südafrika ist das Land mit der höchsten Tötungsrate außerhalb von Kriegsgebieten, ein Menschenleben, besonders , wenn es schwarz ist, ist immer noch nicht viel wert. Gewalt gegen Frauen und Kinder ist häufig anzutreffen. Die Lebensumstände werden zusätzlich erschwert durch ihre oft miserable Wohnsituation und ihre unregelmäßigen und geringen Einkommen.

In die neue Regierung ist große Hoffnung gesetzt worden auf die Veränderung dieser Lebensumstände. Die Regierung ist jedoch gezwungen, einen großen Spagat zu machen. Einerseits die Interesen der Unternehmer und der Reichen, von denen viele immer noch weiß sind, berücksichtigen und andererseits der Hoffnung vieler Menschen auf eine schnelle Verbesserung gerecht werden.

Women in Xalanga Auf die Forderung nach Housing (Wohnraum) antwortet die neue Regierung, daß die Häuser von privaten Investoren gebaut werden sollen, die aber kein Interesse an Häusern in Townships haben. Die Menschen stellen immer stärker die Forderung nach Baumaterialien an die Regierung. Wie dieses kleine Beispiel zeigt, wird die Veränderung der Lebensumstände für die Menschen nur von ihnen selbst durchgesetzt werden können.

Die Regierung hat Ende April 1996 das RDP-Programm (Wiederaufbau- und Entwicklungsprogramm) beendet. Dieses Programm, auf Forderung der Gewerkschaft entwickelt, sollte das Land nach mehr als 30 Jahren Apartheid und Krieg wieder aufbauen und entwickeln. Es versprach den Menschen, die am entschiedensten die Apartheid bekämpft haben, neue Chancen und Möglichkeiten. Die Gelder des Programms sind an das Finanzministerium zurückgeflossen. Zusätzlich erschwert wird die angespannte Situation durch Einmischungen der Weltbank und des IWF's. So wurde auf Druck des IWF das Bildungsystem, welches nicht besonders gut ist, weiter abgebaut und tausende von Lehrern entlassen.

Ende April gab es in Südafrika einen eintägigen Generalstreik, der sich gegen das Unternehmerrecht auf Aussperrung richtete. Dieses "Recht" sollte in der neuen Verfassung verankert werden. Dieses Vorhaben ist erstmal gestoppt worden. Die neue Verfassung Südafrikas ist nach den spärlichen Informationen, die man in Deutschland bekommt, die fortschrittlichste der Welt. Erstmal sind dort neben individuellen Menschenrechten Map auch soziale Rechte der Menschen, wie Bildung, Erziehung, Wohnung und Ernährung aufgeführt. Der Streik richtete sich sicherlich auch gegen den neuen wirtschaftlichen Kurs der Regierung, das Land auf Richtung neoliberaler Kapitalismus zu bringen. Für die anstehenden Veränderungen wird es auch von Bedeutung sein, wie andere gesellschaftliche Bereiche Widerstand entwickeln können und ob sie es schaffen, an ihre Widerstandstraditionen aus der Zeit vor 1994 anzuknüpfen. Trotz schwieriger Situation sind gute Ansätze vorhanden. Der Umbruch in Südafrika hat auch die Linke erfasst, die sich neu orientieren muß. Viele gute Leute aus verschiedenen Strukturen sind in die staatlichen Institutionen gegangen, andere laufen gerade auf die "andere Seite der Barrikade" über und können den Verlockungen des Kapitalismus nicht widerstehen. Die Frage, ob die Menschen in den Institutionen nicht aufgesogen werden und sich nicht mit den sozialen Kämpfen verbünden, ist ungeklärt. Diese Frage berührt auch die Gewerkschaften in Südafrika. Viele ihrer Kader sind auch in die neuen Institutionen abgewandert, wie der ehemalige Vorsitzende der Bergarbeitergewerkschaft NUM Cyril Ramaphosa. Die im Anti-Apartheid Kampf geformten Gewerkschaften stehen vor einer schwierigen Situation. Sie müssen den Kampf unter den Bedingungen einer "eigenen" Regierung, der neokapitalistischen Offensive und eine verunsicherten Arbeiterschaft organisieren.

Der Kapitalismus in Südafrika wird in nächster Zeit nicht abzuschaffen sein, welchen Charakter er haben wird ist offen.

Wir sind zuversichtlich, daß die Geschichte auch in Südafrika weitergeht und die Menschen sich wehren werden und Neues aus den Kämpfen entsteht.

Mit großem Bedauern mußten wir nach vier Wochen leider wieder abreisen. Klüger geworden und mit neuen Ideen kamen wir nach 21 Stunden Reise wieder in Europa an, mit dem festen Entschluß wieder nach Afrika zu fahren.

"Gegen den weit verbreiteten Irrtum, daß mit den Wahlen 1994 die Apartheid überwunden wurde", setzt das Bildungswerk des DGB die Schrift Nr. 40:
"Das neue Südafrika - Gewerkschaften & Arbeitsbeziehungen nach der Apartheid"
Postfach 101026, 40001 Düsseldorf


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http://www.basisradio.org/coppi/ger/cg000022.htm