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Basisradio - Was ist das?
Eine Begriffsbestimmung und zwei Beispiele
aus Südafrika
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1. Was ist Basisradio?
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Basisradio und Community Radio
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Was macht ein Community Radio zum Community
Radio?
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Was macht ein Basisradio zum Basisradio?
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Voraussetzungen für ein Basisradio
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Kulturelle Eigenständigkeit
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Journalistische Qualifikation?
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Ist ein partizipatives Radio machbar?
2. Basisradio in Südafrika
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Eyabantwana Radio Station - Kinder Radio
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Vukani Community Radio in Cala
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Der Oberbegriff der selbstverwalteten Radios ist das COMMUNITY
RADIO. Ein Vertreter eines südamerikanischen Radios definierte
den Begriff auf dem sechsten Welt- Kongreß der Community Radios:
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"Die Antwort ist nicht besonders kompliziert: wenn wir nur die
Ziele der Station betrachten. Was will es, welches sind die Ziele?
Das bestimmende Element ist die soziale Natur des Mediums.
Kommerzielle Radios definieren sich selber als Stationen, die
Gewinne machen. Als Kommunikationsmedium müssen sie die selbe
soziale und kulturelle Verantwortung haben, die alle guten Journalisten
haben, und müssen ein Programm gestalten um ihre Communities
zu bedienen. Aber, bei Aufkommen eines Konfliktes, wenn sie zwischen
Gott und dem goldenen Kalb zu wählen haben, werden die Eigentümer
des Kommerziellen Radios zum letzteren neigen.
Unsere Wahl ist eine andere. Und in ihr finden wir den kostbaren
Juwel, den nicht verhandelbaren Charakter unserer Radio Projekte.
Arbeiten wir in erster Linie für unsere eigenen Ziele, oder
wollen wir helfen die sozialen Bedingungen und die kulturelle Qualität
des Lebens der Menschen in unseren Communities zu verbessern?
Community Radios suchen nicht den Profit, sondern wollen der Gesellschaft
einen Dienst erweisen. Selbstverständlich ist dies ein Dienst,
der versucht die öffentliche Meinung zu beeinflussen, der Konsens
erzeugen, der Demokratie stärken und vor allem Community schaffen
will - daher der Name Community Radio."
Basisradio ist eine Form des Community Radios. Im folgenden wollen
wir heraus arbeiten, was Basisradio meint und welche Schlußfolgerungen
wir daraus ziehen.
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Die Betreiber sind Menschen, die ihre Organisierung in die Hand
genommen haben und gemeinsam über ihre Belange entscheiden.
Entscheidungen werden vor Ort gefällt. Die Konzepte werden
in der Community erarbeitet. Inhalte und Formen richten sich nach
den Bedürfnissen, der Kultur und den Erfahrungen der Community.
Das Radio ist nur ein Mittel, die emanzipatorischen Ansätze
weiterentwickeln zu können. Es ermöglicht Basisgruppen,
sich selber zu artikulieren. Mittels einfacher Technik können
alle kommunizieren, ihre Erfahrungen austauschen und ihre Initiativen
weiter entwickeln.
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Der Knackpunkt zur Realisierung eines Radios liegt nicht im technischen
Bereich, sondern in der Frage, wie die Community das Medium technisch,
politisch und kulturell kontrollieren kann. Der Einsatz des Radios
in einem Dorf oder Stadtteil setzt ein Minimum von Community- Strukturen
voraus. Ansonsten kommt es zu einem von oben aufgesetzten Radioprojekt,
das bei hohem Informationsgehalt und Bürgernähe durchaus
Verdienste erringen kann nur ist das ein anderer Ansatz. Die Programme
kommen dann nicht mehr aus der Community, dementsprechend haben
auch die dort lebenden Menschen Probleme, sich mit dem Medium zu
identifizieren. Ziel eines Basisradio- Ansatzes darf es nicht sein,
zarte Ansätze von Selbstorganisation durch massives Input von
außen im Keim zu ersticken.
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Sprechen können ist ein Wesenszug aller Menschen. Im Gegensatz
zur Sprache ist Lesen/ Schreiben eine Fähigkeit, die den meisten
Menschen auf der Erde verwehrt wird. Radio eröffnet die Möglichkeit
zu kommunizieren, ohne des Schreibens kundig zu sein. Dies ist aber
nur möglich, wenn Menschen in und aus ihrer eigenen Erfahrungswelt
das Radio betreiben können. So wurde zum Beispiel in Burkina
Faso versucht, an die Tradition der mündlichen Überlieferung
anzuknüpfen. Das Überstülpen von Radiokonzepten und
-strukturen europäischer oder nordamerikanischer Machart ist
Kulturimperialismus.
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Den Basisgruppen muß die Gelegenheit gegeben werden, ihre
eigenen Erfahrungen mit dem Radio zu machen. So wächst das
Radio, und das Selbstbewußtsein der RadiomacherInnen festigt
sich. In diesem Prozeß haben alle die Möglichkeit, diese
Erfahrung zu machen. Soweit es möglich ist, soll die Ausbildung
der Mitglieder für das Radio in der Basisgruppe erfolgen. Das
erleichtert insbesondere Frauen den Zugang, da sie in der Regel
für die meisten Probleme des Alltages zuständig sind und
daher häufig nicht so leicht "abkömmlich" sind. So wird
insbesondere in der Aufbauphase erreicht, daß die Mitglieder
trotz struktureller und patriarchalischer Zwänge sowie unterschiedlicher
Bildung ähnliches Wissen und Können erlangen.
Partizipatorische Initiativen müssen sich davor schützen,
daß Menschen, die aufgrund ihrer sozialen Stellung auch eine
bessere "Bildung" besitzen, sich in Positionen drängen, die
ihre Stellung nur zementieren können. So ist auch eine Teilnahme
an einem "Radiokurs" ohne eigene Erfahrungen - entstanden aus dem
eigenen Kulturkreis - kontraproduktiv. Hier wird die Hilflosigkeit
der Benachteiligten zementiert, sie erhalten keine Chance, ihre
Kultur in und über das Medium Radio zu transportieren.
Eine Weiterbildung in den Bereichen Radiotechnik und Journalismus
muß sich an den Erfahrungen und Bedingungen der Community
ausrichten.
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Keine Pädagogik, die im echten Sinne befreiend ist, kann
sich von den Unterdrückten distanzieren, indem sie sie als
Unglückliche behandelt und Modelle von seiten der
Unterdrücker zur Nacheiferung
liefert. Im Kampf um ihre Erlösung müssen die
Unterdrückten ihr eigenes Vorbild sein.
Paulo Freire
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Der partizipative Ansatz, basierend auf der Methode von Paulo Freire,
ist Grundlage vieler Projekte, die über die Alphabetisierung
hinausgehen. Beispiele sind der Modellversuch in Uruguay, dessen
Ziel die Entwicklung einer Volksliteratur war. Im Medienbereich
sind Zeitungen, Bücher und Filme zu nennen. In Kolumbien wurde
das Konzept der Radioschulen entwickelt. Damit aber das Radio als
Basisradio eingesetzt werden konnte, bedurfte es der technologischen
Entwicklung, hin zu kleinen und billigen Radiosendern. Auch die
Massenproduktion der Audiotechnik ist eine Voraussetzung. Jetzt
kann mit relativ geringen Mitteln ein Radio betrieben werden, die
Technik ist von allen erlern- und beherrschbar.
Participación, Beteiligung des gesamten Volkes an der politischen
Neugestaltung der Gesellschaft, war eines der wichtigsten Anliegen
der sandinistischen Revolution in Nicaragua. Diese demokratische
Beteiligung setzt Kommunikation voraus, die vor allem auch von unten
nach oben gehen muß, damit vertikale Machtstrukturen in horizontale
verändert werden können. Das Radio ist eines der wichtigsten
Kommunikationsträger. Es sollten kleine Radios installiert
werden, die nicht von professionellen Machern, sondern den Betroffenen
selbst betrieben und kontrolliert werden. Realisiert wurde dieses
Vorhaben in der Region Matagalpa, wo drei Basisradios von uns aufgebaut
wurden.
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In den letzten drei Jahren haben wir an der Realisierung von Basisradios
in Südafrika gearbeitet. Am Aufbau von bislang zwei Stationen
waren wir beteiligt:
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Children's Radio
Kinder Radio
in Khayelitsha / Kapstadt
Die
Eyabantwana Radio Station ist in Khayelitsha, einem Township bei
Kapstadt in Südafrika beheimatet. Sie wurde vom Children's
Resource Centre (CRC) initiiert. Das (CRC) wurde 1983 gegründet.
Seine Begründer setzten sich das Ziel, in der Apartheidsgesellschaft
Südafrikas neue Wege zu entwickeln, um den Kindern der unterdrückten
Mehrheit Entwicklungschancen zu eröffnen und ihr Selbstbewußtsein
zu stärken.
Judy Simons ist eine der beiden Radiokoordinatorinnen. Sie war
schon als Kind in den Kindergruppen aktiv. Zu den Zielen des Kinderradios
sagt sie: "Nach zwölfjähriger Arbeit mit Kindern sind
wir uns des enormen Potentials bewußt, welches die elektronischen
Medien in Bezug auf die Entwicklung von Kindern bieten. Sei es im
Bereich der Erziehung, dem Fernunterricht, der Erholung, der kulturellen
Entwicklung und dem Vorantreiben von Mehrsprachigkeit um nur einiges
zu nennen. Wir glauben, daß Kinder aktiv beteiligt sein sollen
in der Planung der Programminhalte, dem Sammeln von Informationen,
der tatsächlichen Produktion der Programme, der Vorstellung
ihres eigenen Materials in ihrer eigenen Sprache und der Bewertung
von Programm- Materialien. Bei der Realisierung einer Kinder- Radiostation
sollen die Kinder auch mit der Technik vertraut gemacht werden.
Das hat auch enorme Potentiale in der Bildung breiter Schichten
von Kindern im Bereich der Technologie und Wissenschaft.
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Die Radiostation soll betrieben werden von Kindern, mit
Kindern, für Kinder."
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Cala ist eine kleine, benachteiligte und isolierte Stadt in der
Transkei, einem ehemaligem Homeland Südafrikas. Für die
Menschen in Cala ist es nicht leicht mit der Welt draußen
zu kommunizieren, weil die Kommunikations- Infrastruktur unzuverlässig
ist und häufig zusammenbricht. Cala ist umgeben von einer Zahl
von ländlichen Dörfern, in denen weder Telefon, Postwesen
noch Medien existieren.
CALUSA (Cala University Students Association), eine
Basisorganisation, die aus den Kämpfen der radikalen Jugend
im Zusammenhang mit den Soweto - Unruhen hervorgegangen ist,
initiierte nach dreijähriger Vorbereitungszeit ein Radio in
Cala.
In einem ihrer Diskussionspapiere heißt es: "Die Medien
dienen den Interessen der herrschenden Klasse. In diesem Licht
argumentieren wir, daß der Inhalt unserer Programme die
Interessen der Unterdrückten und Ausgebeuteten widerspiegeln
muß. Unser Radio wird 'Community' sein in dem Sinne,
daß zum ersten Mal marginalisierte Communities Zugriff auf
das Medium Radio haben. Die Zielgruppen des Vukani Radios sind die
ökonomisch und politisch marginalisierten Menschen, die
Arbeiterklasse, die Enteigneten, die Unterdrückten und
Ausgebeuteten. In ihrem Interesse wird das Radio arbeiten. Die Art
der Programme muß das Interesse dieser Menschen
reflektieren. Für uns bedeutet das, die dominierende korrupte
kapitalistische Ideologie zu bekämpfen, die bis heute unsere
Familien, unsere Organisationen und die Gesellschaft im Ganzen
zerrissen hat."
Das Vukani Community Radio sendet seit dem 30. März 1996.
Vukani bedeutet:
Wacht auf!, Steht auf!, Revoltiert!
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